Der Kofferträger (German Edition)
Hilfsbereitschaft.
Rabenstein schwieg, ließ seinen Gast die Wünsche vortragen. Er zuckte noch nicht einmal mit den Augenlidern, als Schütz den Kanzler ins Spiel brachte. Diese Augen mit den starren Lidern! Nur noch einzelne Wimpern in einem strohigen Blond stachen von diesen Lidern ab. Sie hatten sich wohl noch nie auf die Wangen gelegt.
„Wissen Sie, Herr Dr. Rabenstein, es ist nicht die Art des Herrn Bundeskanzlers, Obduktionsberichte über die Selbstmorde seiner Angestellten anzufordern. Das wird von den entsprechenden medizinischen Abteilungen geschehen. Andererseits gehörten beide Toten, auch wenn sie nicht direkte Mitarbeiter des Kanzlers waren, doch zu seinem engeren Mitarbeiterstab in der Verwaltung. In kleiner Runde bat mich der Bundeskanzler, quasi vertraulich und ohne großes Medienaufsehen, einen Bericht persönlich einzuholen. Schließlich macht er sich Gedanken darüber, ob seine Crew zu sehr unter Stress steht.“
Als flöge er von einem Fuchs aufgescheucht auf, ließ der Rabe krächzend die notwendigen Dokumente von einer Assistentin holen.
„Der Bericht ist in all den Wochen aus ihrem Hause noch nicht angefordert worden .“ Wie ein Warnruf klang die zerbröckelnde Stimme Rabensteins.
„Nun“, entschuldigte sich Schütz. Er war vorsichtig geworden, wollte kein Wort zu viel sagen. Er wollte aber die Berichte und möglichst sogar Kopien.
Inzwischen hatte eine junge Frau die Berichte über Klingenberg und Jenisch auf den Schreibtisch gelegt. Rabenstein schaute sie durch und runzelte die Stirn, blickte auf Schütz, der sich in seiner Haut nicht mehr wohlfühlte. Kalte, steife Finger, wie die von den Toten selbst, griffen ihm über den Rücken. Er befürchtete, dass seine Stimme vibrieren würde. Gab es in diesen Dokumenten einen möglichen Hinweis, von vornherein die Berichte als Selbstmorde abzufassen? Oder befand sich darauf sogar eine Notiz, niemandem darüber Auskunft zu geben, den Nachfrager aber unmittelbar dem Verfassungsschutz zu melden?
Rabenstein fuhr fort, als würde er seinen Studenten eine eintönige Vorlesung halten mit dem eröffnenden Hinweis Leichen seien zu Witzen nicht geeignet.
„Was wollen Sie wissen?“
Gut, dass er die Frage wenigstens stellte. Schütz rutschte mit schmerzendem Rücken auf seinem Stuhl hin und her. Das verdammte Ding war zum Sitzen einfach nicht geeignet. Dazu signalisierte Rabenstein gleichzeitig, dass er keineswegs bereit wäre, Fragen zu beantworten.
“Gibt es in dem Obduktionsbericht Hinweise auf Fremdeinwirkung?“ Es half nur noch das forsche, analytische Vorgehen. Er wäre mit zitternden Knien am liebsten davon gelaufen. In welche n Sumpf ritt er sich da hinein?
„Beide Fälle wurden als Selbsttötungen eingeliefert.“ Das Statement Rabensteins war eindeutig. Mehr wollte er dazu nicht sagen.
Sein Blick war kalt und ging Schütz unters Hemd, als Rabenstein mit seiner rechten Hand unter den Schreibtisch griff. Jetzt würde er heimlich mit einem Knopfdruck den Sicherheitsdienst informieren. Bei seinem Gastgeber entdeckte er eine unsichere Handbewegung, als müsste alles noch einmal durchsucht werden.
„In beiden Fällen liegt aber eindeutig eine andere Todesursache vor.“
„Boing“, das knallte gegen Schützens Gehirn wie ein Faustschlag.
„Und welches ist die Todesursache“? Es ärgerte ihn, dass er dem Mann selbst die kleinste Information aus der Nase ziehen musste.
„Zunächst zu dem Fall Klingenberg“, Dr. Rabenstein machte eine Pause, sezierte mit seinen kalten Augen das Gehirn seines Gegenübers. „Wozu benötigen Sie das alles? Wir werden Ihnen einen schriftlichen Bericht darüber geben. In ein paar Tagen werden sie das alles haben.“
Das war es dann wohl. Ohne weiter mit Fragen sein eigenes Geheimnis preiszugeben, bedankte sich Schütz. „Das ist sehr gut, dann sind die Fälle ja in Kürze geklärt. Für ihre Hilfe vielen Dank, Herr Dr. Rabenstein.“
Schütz ging, nur von einer Handbewegung begleitet, aus dem Büro.
„Unhöflicher Bursche“, brummte er.
Den langen, blau markierten Gang lief er zurück bis zum Aufzug. Wütend überflog er die Knopfleiste mit den Etagen und vielen Abteilungen. Die Wichtigste hatte er beim Hinauffahren übersehen. Im Keller war die Autopsie untergebracht, wie vermutet. Sein Finger lag schon auf dem Knopf und die Etage leuchtete auf. Als Erstes traf er in einen Kellerflur mit langen Gängen. Wände, Decken und Boden waren gefliest. Es herrschte Sauberkeit und Ordnung.
Dr.
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