Der Kofferträger (German Edition)
sehr von einem Sesselfurzer. Sein Gesicht drohte ernster als das trübe Wetter. Der Regen hatte endlich aufgehört.
„Haben Sie mich schon erwischt ?“, honorierte Schütz das Erfolgserlebnis des Agenten.
„Was wollen Sie hier? “, drohte der UCA dem Ankömmling.
N och während der ersten Frage winkte die Bulldozer ähnliche Vorhut in die spiegelnden Fenster des Rondells. Ein kleinerer, auch nicht gerade magerer Blaupullover trat heraus. Quirliger als der Erste und wahrhaftig freundlich lächelnd fragte ihn der Mann nach seinem Begehr.
Jürgen wünschte , den Leiter der Autopsie zu sprechen.
Der freundliche Mittfünfziger bedauerte die Zeit.
„Es tut mir Leid mein Herr, wir haben bis 14.00 Uhr geschlossen. Kommen Sie dann bitte wieder. Vorher können wir niemand hineinlassen, es sei denn der Bundeskanzler persönlich kommt.“
Den als Witz gedachten Hinweis griff Schütz als Chance auf.
„Genau das, Herr Bemmel“, den Namen hatte er von dem Namensschild auf der Theke in dem Pförtnerhaus, in das sie nun eingekehrt waren. Schütz empfand es schon als heimlichen Sieg, bis hierher vorgedrungen zu sein.
„Ich komme im Auftrag des Herrn Bundeskanzlers. Mein Name ist Schütz, Jürgen Schütz aus dem Bundeskanzleramt“, den Sermon mit Schatzmeisterei und Generalbevollmächtigten ließ er der Einfachheit wegen fort. Er legte aber gleichzeitig seinen Diplomatenpass auf den Tisch.
Als James Bond den Ausweis entdeckte, lief er rot an, stotterte verlegen und verschwand hinter Aktenordnern.
„Herr Bemmel, es sind in jüngster Zeit zwei Mitarbeiter des Kanzleramtes angeblich wegen Selbsttötung umgekommen. Die Leichen müssten hier obduziert worden sein. Der Herr Bundeskanzler muss wissen, ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist.“
Schweiß auf der Oberlippe zeigte die Verblüffung des Portiers. Er begann zu stottern.
„Ja, Herr Schütz, ich verstehe. Es ist aber niemand mehr im Haus.“
„Ich hoffe aber zumindest die Leichen“, konnte sich Schütz des kleinen Scherzes nicht enthalten.
Er demonstrierte , dass er aus der Schule seines Onkels kam, und wurde in seinem Auftreten strenger.
„Herr Bemmel, es kann doch nicht sein, dass es über die Mittagszeit hinweg keine Selbstmorde gibt. Oder stellen sie sich vor, der Herr Bundeskanzler persönlich würde zwischen zwölf und zwei anrufen und nach den Ergebnissen fragen. “
„Ja, ich würde ihn mit dem leitenden Pathologen verbinden.“
„Tun Sie das“, befahl Schütz streng.
Der ‚amtierende Leichenbeschauer‘, wie er ihn schon insgeheim nannte, ließ sich nach einem kurzen Disput am Telefon dazu bewegen, den Herrn Schütz zu empfangen. James Bond musste nun die Aufgabe übernehmen, den jungen Mann zu einem seiner Herren zu führen. Seine mit Stahl beschlagenen Absätze krachten über die mit Fliesen belegten Gänge, dass man glauben mochte, selbst die Toten würden aus ihrem Schlaf erwachen. Es war Schütz unheimlich zumute. Aus jeder Tür, an der er vorbei ging, glaubte er Leichengeruch einzuatmen und erstarrte Finger und weiße Füße zu sehen. An blauen Hinweiszeichen war der Weg nachzuvollziehen, den er später wieder zurückgehen musste. Der geräuschlose Aufzug brachte sie in den fünften Stock, obwohl doch Schütz die Autopsie im Keller erwartet hätte.
Dr. Rabenstein war eher ein stiller Mann, Mitte vierzig. Er wirkte abgeschlafft und unwirsch. Vielleicht litt er ja an Burn-out oder Leichen-Burn-out. Immerhin gab es in der letzten Zeit zu viele Leichen, die ihn belasteten.
Schütz saß in dessen Büro auf einem einfachen Stuhl mit steiler Lehne. Ein weißer Kittel an einem einfachen Metallhaken an der Tür deutete mit etlichen Gebrauchsspuren auf die Notwendigkeit einer Reinigung. Mit stechenden Augen, die in den Leichen wohl kaum nach vergangenem menschlichem Leid forschten, musterte Rabenstein seinen Gast. In Gedanken füllte er sicher einen neuen Obduktionsbericht aus. Dazu spielten seine knochigen Hände nervös mit einem ungespitzten Bleistift.
Sein Gesicht erweckt den Eindruck als hinge es dicht über einem Toten, analysierte Schütz. Die Umgebung eines nächtlichen Friedhofes bei weiß glänzendem Vollmondlicht und durchdringenden Eulenrufen legte sich auf ihn. Die unangenehme Atmosphäre ließ ihn erschauern und er fragte sich, wie er am besten an die Dokumente, die er suchte, herankommen könnte. Alles in allem umgab den über die Mittagspause amtierenden Chef nicht der geringste Geruch von freundlicher
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