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Der Kofferträger (German Edition)

Der Kofferträger (German Edition)

Titel: Der Kofferträger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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den letzten Jahren prächtig entwickelt. Ein reines Wohngebiet mit einem Bestand alter Häuser aus dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Renoviert, die Fassaden mit neuen, leuchtenden Farben versehen. Eine lebendige Straße, voller Anmut und Schönheit. Ziemlich weit oben, am anderen Ende auf der linken Seite leuchtete schon von Weitem das weiß gestrichene Gebäude, wie es Theo Wagner beschrieben hatte. Hoch oben im fünften Stock wohnte Frau Jenisch. Auch sie lebte, wie die Klingenbergs, in einer Penthousewohnung. Ein großer Balkon am Dachrand mit einer großen Glasfront dahinter zeugte von Zeiten, die sicher fröhlicher waren als jetzt, dachte Schütz.
    Er klingelte und Frau Jenisch meldete sich. Er stellte sich vor, mit Namen und Position, auch teilte er ihr mit, warum er sie besuchte. Nach einer kurzen Unterhaltung über das Haustelefon ließ sie ihn herein. Das gediegene Treppenhaus gab etwas her. Eine breite Holztreppe mit einem sehr gut erhaltenen Holzgeländer, Marmorböden auf den Etagen und die Wände erst kürzlich gestrichen. Ein helles, freundliches Haus. Er ging zu Fuß hinauf und sein „herrschaftlicher“ Eindruck bestätigte sich von Etage zu Etage. Ein wenig außer Atem kam er im Fünften an, klingelte an der Wohnungstür. Eine sehr gepflegte Dame, etwa sechzig, mit weißem Haar empfing ihn und bat ihn herein.
    Das Wohnzimmer, in das er vom Korridor geführt wurde, beheimatete Kunstwerke aus der ganzen Welt. Schütz schenkte sich billige Komplimente über die schöne Wohnung. Sie waren von der alten Dame in der Vergangenheit aus berufenem Munde oft gehört worden. Sie setzte sich vor ihn an die andere Seite eines niedrigen, schweren Glastisches mit Elefanten und Löwenschnitzereien an den vier Ecken. Mit einer durchdringenden fragenden Haltung schaute sie ihn an. Es ärgerte ihn, wie sehr ihr herrschaftliches Auftreten ihn verlegen machte. H. B. und all die anderen Bonzen, die er kennengelernt hatte, traten ihm gegenüber auch wie Kaiser und Könige auf, aber anders. Diese Dame hatte Stil, wie sie saß, selbst wie ein edles Möbelstück, wie ein gewachsener Baum aus vergangenen Zeiten. Die Situation wurde peinlich, Schütz musste bald etwas sagen.
    „Frau Jenisch“, wiederholte er, „mein Name ist Jürgen Schütz. Ich bin Generalbevollmächtigter der Schatzmeisterei der PCD. Der Tod Ihrer Tochter ist mir nahe gegangen.“
    Derartige traurig feierliche Momente hasste er wie die Pest. Und er spürte es hautnah, wie bescheuert er sich selbst ausdrückte. Er machte eine Pause, schaute sie bittend an, sie möge doch endlich etwas sagen. Frau Jenisch aber schwieg, wahrscheinlich würde sie bis zum Tagesende so sitzen bleiben, wenn er nicht etwas unternahm.
    „Frau Jenisch, ich bin nicht im offiziellen Auftrag hier. Ich habe es auf einer Reise in die Schweiz erfahren, was hier passiert ist.“
    „Ja, was ist hier passiert“? Sie stellte die erste Frage, mit der er gerade wieder beim Anfang war.
    „Das mit dem Tod Ihrer Tochter. Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Ich habe nur gedacht, ich müsste Sie einfach besuchen, wie ich schon vor einiger Zeit nach dem tragischen Ende unseres Buchhalters Klingenberg seine Frau besucht hatte.“
    „Die Klingenbergs und meine Tochter waren befreundet.“
    Die Nachricht traf ihn unvorbereitet. „Das wusste ich nicht“, stotterte er.
    „Dann sagen Sie mir endlich, was Sie von mir wollen. Vielleicht kommen wir so zu einem schnelleren Ergebnis.“
    „Ich bin kein Detektiv.“
    „Das merkt man“, fiel sie ihm ins Wort. „Sagen Sie trotzdem, was Sie wollen.“
    „Nun, ich war zwar mit Klingenbergs nicht befreundet. Aber wir hatten ein gutes Verhältnis. Sein Tod hat mich sehr getroffen, sodass ich die Hintergründe erfragen wollte. Das Gleiche möchte ich bei ihrer verstorbenen Tochter machen. Ich möchte wissen, was dahinter steckt.“
    „Gut, deutliche Fragen haben eine deutliche Antwort verdient.“
    Sie schilderte ihm eine ähnliche Geschichte, wie die des Buchhalters. Die beiden hatten sich offen, zumindest wenn sie hier beisammensaßen, zu den Geschehnissen im Kanzleramt und drum herum geäußert. Beide waren über das Verhalten der Partei und der Regierung entsetzt. Von den „Großkopfeten“, wie sie sich immer ausgedrückt hatten, würde wohl niemals eine entsprechende Aufklärung kommen. „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“, hatte ihre Tochter gesagt. Sie hatte die Achtung vor dem Kanzler verloren.
    Sie hatten wohl beide einen

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