Der Kofferträger (German Edition)
mir Leid. Ich glaube nicht. Vielleicht nie.“
„Das ist gut.“
Schütz schaute ihn erstaunt an. Dann lächelte er, als er den Sinn begriff.
„Weiß sie von mir.“
„Sie hat mit Sicherheit keine Ahnung, wo du überhaupt wohnst.“
„Das ist gut“, wiederholte sich Siegfried. „Es wäre schlecht, wenn sie dich schon hier suchen würden.“
„Ja, es ist wirklich gut. Ich denke, niemand aus dem Clan weiß von dir.“ Jürgen dachte über den klaren Verstand des Onkels nach. Erstaunlich, wie analytisch der Alte noch vorging.
„Was willst du jetzt tun?“
„Corinna und ich sind in Lebensgefahr. Die werden keinen Trick auslassen, uns zu liquidieren. Deswegen sollte ich nicht zu viele Leute hineinziehen.“
Siegfried nickte verständnisvoll.
„ Mit diesem Wissen könnte ich nicht mehr weiterleben. Ich werde mich keinesfalls verstecken. Auch wenn es zu Beginn den Anschein haben sollte. Ich werde weitermachen. Mit mehr Sorgfalt, mit mehr Beweisen. Ich muss vor allen Dingen herausfinden, was die Staatsanwaltschaft tut. Auch muss ich wissen, was das Magazin ‚DAS ZIEL‘ vorhat.
„Was willst du also tun?“
„Das ist eine gute Frage. Aus dem Verborgenen heraus zu operieren, ist nicht so einfach. Ich muss Kontakte aufnehmen, Beweise besorgen.“
„Hast du einen Anwalt?“
„Bisher nicht. Ein guter Freund von mir ist Anwalt, Dr. Manfred Stahl in Berlin.“
„Ist er vertrauenswürdig?“
„Unbedingt.“
Schon allein das Gespräch mit seinem Onkel brachte Schütz mit Riesenschritten voran.
„Ich weiß nur eines nicht“, fuhr er fort. „In dieser Hinsicht bin ich mir völlig im Unklaren.“ Schütz machte eine Pause. Siegfried ließ ihn gewähren, bis sein Neffe von sich aus wieder begann.
„Könntest du noch ei nmal einen Tee aufgießen, Onkel?“
„Gel, der ist gut“, lachte der Alte. Unverschämt lustig seine strahlenden blauen Augen, dachte Jürgen. Dann wurde er ein wenig trauriger.
„Corinna ist verschollen. Ich habe keine Ruhe, solange ich nicht weiß, was mit ihr los ist. Soll ich zuerst nach Berlin gehen, sie später suchen oder umgekehrt? Ich bin mir über meinen Weg nicht ganz sicher.“
„Brauchst du sie für dein Vorhaben?“
„In zweifacher Hinsicht. Sie muss als Zeugin auftreten vor dem Gericht. Wichtiger aber für mich ist, dass ich weiß, sie ist noch da.“
„Dann hast du dir eben selbst die Antwort gegeben. Handel mit Verstand aber vergiss die Wünsche des Herzens nicht.“
Jürgen schaute den alten Mann an. So einfach war die Lösung.
„Ich muss mich äußerlich verändern.“
„Ich denke auch. Zunächst einmal bleibst du hier. Mit der Veränder ung fangen wir gleich heute an.
Was hältst du davon, deine Haare schwarz zu färben, ebenso deine Augenbrauen und die Wimpern? Du lässt dir einen Schnauzer wachsen. Ich kaufe dir eine dunkel umrandete Brille. Hier kannst du sowieso eine Schneebrille tragen. Ein paar neue Kleider, und der neue Herr Schütz ist fertig.“
„Prima, fangen wir an.“
Das war etwas, was Jürgen gefiel. Die Aktionen, die notwendig waren, wurden in Gang gesetzt. Ohne Wenn und Aber.
Jürgen suchte seine Zerstreuung in uralten Magazinen und Fernsehzeitschriften, die er in einer Ablage fand. Ein paar Kleinigkeiten in der Wohnung erkannte er wieder. Der alte Nierentisch stammte von seiner Mutter. Das Bett war wohl auch ein Erbstück. Eine Zeit lang hatte der Onkel bei ihnen am Bodensee gewohnt. Er war eigentlich der Onkel seiner Mutter. Später war er umgezogen nach Lichtenberg. Das Haus hatte ihm ein verstorbener Onkel vererbt. Der Kontakt war bald abgebrochen. Die Welt der Moderne, der Intelligenzler und der einflussreichen Leute hatte sich Jürgen Schütz angenommen. Onkel Siegfried hatte er völlig vergessen. Umso erstaunlicher, dass der Onkel nicht sauer auf ihn war über die lange, kontaktlose Zeit. Der alte Rentner hatte einfach etwas gesagt wie, „Komm herein, du wirst dich ausruhen wollen.“
Noch am Abend strahlte Onkel Siegfried, als er seinem Neffen Fontanes Ballade: „ Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland “ auswendig vortragen konnte. „Die Gegend hier ist gebildet“, lachte er fröhlich, „es ist mehr eine Herzensbildung.“
Schon nach zwei Tagen zeigte sich Onkel Siegfried befriedigt. Die Veränderung seines Neffen war gelungen. Er war selbst davon überzeugt, es mit einem anderen Menschen zu tun zu haben. Rein gar nichts hätte der Mann vor ihm mit dem Fahndungsfoto zu tun, das vielleicht doch irgendwo
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