Der Kofferträger (German Edition)
mit. Sogar auf die Toilette. Jürgen für dich gilt das Gleiche. “
„Was mache ich in der Zwischenzeit?“
„Du geht’s mit Corinna am Golf von Tarent spazieren.“
„Und du glaubst, das könnte ich?“
„Du wirst es müssen. Unternimm bitte keine weiteren Aktionen. Du würdest dich und Corinna unnötig in Gefahr bringen, und den Prozessgewinn dazu.“
„Manfred, das ist mein Prozess, den muss ich führen. Du kannst mich jetzt nicht kaltstellen.“
„ Möchtest du das Fußballspiel von Anfang an bestreiten und untergehen? Oder ist es dir doch lieber auf der Bank zu sitzen, erst in den letzten zwanzig Minuten eingewechselt zu werden und mit deinem Goldengoal die Mannschaft zum Weltmeister zu schießen?“
„Ich hab verstanden.“
„Gut wartet auf mein Signal.“
„Was ist mit den Dokumenten, die ich vor den Flammen gerettet habe?“
„Sehr interessant. Jedes für sich ein Versager. Einige zusammen können uns weiterbringen. Es gibt da verschiedene Hinweise, die ich noch zusammenfügen muss. Die Feuerwehr hat aus dem Wasser einige Akten gefischt. Bei der Durchsicht haben sie festgestellt, wie brisant einige Dokumente sind. Die Staatsanwaltschaft hat alles beschlagnahmt.“
„Um es anschließend gegen mich und andere verwenden zu können.“
„Dr. Horst hat die Sache übernommen.“
„Wie willst du nur die ganze Angelegenheit unter einen Hut bringen? Ich brauchte dabei einige Päckchen ‚ Happy Hour ‘.“
Stahl wandte sich an seinen Freund. „Vom Wissen her sind wir weiter als du vor ein paar Wochen. Was die vor Gericht akzeptierten Beweise anbelangt, stehen wir noch genau so am Anfang. Aber ich bin guten Mutes. Halte dich gut verborgen.“
Stahl verschwand. Schütz blieb noch eine Weile.
Ihre Kontakte reduzierten sie auf ein Minimum.
Ab und zu nagten Zweifel an Schütz. Könnten sie je eine stichhaltige Anklage erreichen?
46 Prozess ohne Zeugen
„Vor diesem Prozess brauchst du keine Angst zu haben“, beruhigte H. B. seine Nichte, der tote Schütz ist wie ein Tiger ohne Krallen. Wir werden die Anklage abschmettern.“
Oberstaatsanwalt Dr. Horst entwickelte mit Kollegen fieberhaft die Anklageschrift. Dabei litten sie unter einem wachsenden Sperrfeuer aus dem Bundeskanzleramt und ihrer eigenen vorgesetzten Behörde, dem Justizministerium. Mit allen möglichen Tricks versuchte der Justizminister, die Anklage zu verschieben. Personal wurde ihnen entzogen, andere Aufgaben sollten sie übernehmen, schließlich wurden sie sogar von mysteriöser Seite bedroht. Andererseits hörte man aus dem Kanzleramt nur hämische Kommentare. H. B. schrieb Leitartikel, ließ Stellungnahmen abdrucken, die seinen toten Schwiegerneffen schon vor Prozessbeginn in Grund und Boden verdammten. Der Ghostwriter aus der Bonzenmeile hatte viel Arbeit in jenen Tagen. Er zeigte sich bei öffentlichen Erklärungen und in Pressefotos mit seiner Nichte, Anita. Er bewies ihr seine Fürsorge und seine Trauer.
Die Himmelschöre sangen es in Tausenden Stimmen aus den Bäumen. Der Prozessbeginn rückte näher. Die Chöre, die Schütz regelmäßig vernahm, waren die Stimmen aus dem Internet. Trotz Warnungen seiner Freundin Corinna konnte er nicht umhin, sich allabendlich im Internet in die Presseberichte einzuklinken. An welchem Ort der Welt, er sich gerade auch aufhielt, und das waren in diesen Zeiten einige, stets horchte er in die Nachrichten, die ihn über den Weltraum erreichten. Er wusste, was in Berlin vor sich ging.
Bestimmte Medien verhöhnten Dr. Horst und Dr. Stahl mit Analysen. Meinten sie doch, die beiden Juristen strebten offenbar nach Unsterblichkeit, indem sie die unauffindbaren Beweise eines Toten zu einer Anklage zusammentragen wollten.
Einen anderen Ton brachte nur das eine Magazin hinein. „DAS ZIEL“ formulierte vorsichtiger. Dem Redakteur klang offenbar noch immer die Stimme des nächtlichen Anrufers Jürgen Schütz im Ohr. Zu oft hätten die Medien falsch gelegen, wenn sie sich bei ihrer Recherche ausschließlich auf die Stimmen der Politiker gestützt hatten, kommentierte Redakteur Jens Mehlig.
Nicht ein Taschenmesser oder ein Feuerzeug blieb den Kontrolleuren vor dem Gerichtssaal verborgen. Noch nicht einmal ein Stück Kordel durften die Besucher mit zur Verhandlung nehmen. Ebenso Verteidiger und die Zeugen mussten sich einer Leibesvisitation unterziehen. Das öffentliche Interesse für jeden Prozesstag war außergewöhnlich groß. Lange vorher hatten sich Schlangen vor
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