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Der Kofferträger (German Edition)

Der Kofferträger (German Edition)

Titel: Der Kofferträger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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dem Gerichtsgebäude gebildet. Nur ein Bruchteil fand Ei nlass. Eine Reihe von Tagen war angesetzt. Hoffentlich könnten sie den Prozess lange genug hinziehen, sinnierte Dr. Manfred Stahl, sie brauchten einfach die Zeit. Noch stand ihre Anklage gegen den Kanzler auf wackligen Füßen.
     
    Das Parlament hatte nur unter Stöhnen die Immunität des Regierungschefs aufgehoben. Die Mehrheitspartei PCD ging allerdings davon aus, dass ihr Führer am Ende glorreich den Gerichtssaal verlassen würde und damit wäre ein für alle Mal Ruhe. Bundeskanzler H. B. saß auf der Anklagebank. Er nutzte diese Show als normaler Bürger, der, wie jeder andere der Gerichtsbarkeit unterlag. Anita und Dr. Dietrich, Vorstand der MESF, langweilten sich eher auf den Zuschauerbänken. Zumindest taten sie so. Alle anderen Verfahren waren vom Kanzlerprozess abgetrennt worden. Dr. Horst trug seine Anklage sachlich vor.
    Auf der Zeugenbank fehlten die beiden Hauptzeugen, der Generalbevollmächtigte Jürgen Schütz und Corinna Malpesi. Beide waren tot. Die Medien hatten sich in den letzten Tagen darüber ausgelassen, wie denn überhaupt ein wenig Ordnung in das ganze Verfahren mit all den vielen Vorwürfen zu bringen war. Ganz besonders gescheite Redakteure hatten längst Grafiken erstellt, die sie auf ihren Titelseiten in Farbe brachten. Dem Leser wurden die zahllosen Vorwürfe in Kästchen und Balkendiagrammen vermittelt. Da ging es um Bestechungen und schwarze Konten, um Beeinflussbarkeit der Regierung durch Unternehmen, nicht deklarierte Spenden in Millionenhöhe, um Zigarettenkonsum und Medikamentenmissbrauch. Ganz besonders gefielen den Zeitungen die Erblassgeschichten aus Südamerika. Sie allein waren eine Serie wert. Die Titel der meisten Blätter ließen nichts zu wünschen übrig: „Ein Märchen aus Paraguay“, „Wieder einmal Hitlers Tagebücher unter dem Reichstag gefunden?“, „Klagt ein Toter ohne Beweise einen Unschuldigen an?“ So ging es endlos in einem fort.
    E in schlechter Stand für Dr. Horst und Manfred Stahl. Zu genau wussten sie selbst, an welch seidenen Faden ihr Erfolg hing. Sie stürzten sich in einen reißenden Strudel vor einem unendlich tiefen Wasserfall.
     
    Kanzlerverteidiger Dr. Jost versäumte es nicht, den Vortrag des Anklägers Dr. Horst nacheinander der Lächerlichkeit preiszugeben. Mit sicherer Stimme, in dem Bewusstsein dem Recht zu dienen, trug Horst seine Vorhaltungen vor. Bis ins Detail hatte er mit Manfred Stahl die Problemfälle aufgelistet.
    Immer wieder gern und erfolgreich befragte der Verteidiger, Dr. Jost, den Kanzler. H. B. erzählte von Vaterland und Aufopferung, von Hingabe und Treue, von Schwur, Vertrauen, Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit. Ein Schwall von Worten, deren Wirkung sich beinahe niemand entziehen konnte.
    „Nach den Aussagen des Oberstaatsanwaltes müsste ich ja dauernd mit einem Koffer voller Geld herumrennen. Das wäre mir doch viel zu schwer“, feixte er und die Zuhörer mit ihm. Horst blieb sachlich, als er fortfuhr.
    „Auch für uns blieb ein Geheimnis ungeklärt. Wer sind die gesellschaftsrechtlichen Eigentümer der ‚Intercom AG‘? Also die Antwort auf die Frage ‚Wer sind die Profiteure‘? An wen floss das viele Geld in der Vergangenheit? Wir sind uns sicher, noch im Verlaufe des Prozesses die Frage klären zu können. Eine zweite Frage, die mit dieser ersten in direktem Zusammenhang steht, ist: An welchen anderen Unternehmen ist die ‚Intercom AG‘ beteiligt? Es sind also durchaus Schlüsselfragen, die bisher unbeantwortet blieben. Einerseits müssen wir zugeben, dass es den Eigentümern sehr gut gelungen ist, diese gesellschaftsrechtlichen Fragen geheim zu halten.“
    Bei diesen Worten grinste H. B. und murmelte aber für jeden hörbar, „Wo nichts ist, kann man nichts finden.“
    Horst ließ sich von dem Einwand nicht beirren.
    „Andererseits gibt es keinen Zweifel daran, dass dieses Verbergen nur mit rechtswidrigen Praktiken durchgehalten werden kann. Es ist jetzt schon daraus zu erkennen, mit wie viel krimineller Energie die Verantwortlichen die Öffentlichkeit täuschen.“
    Der Verteidiger des Kanzlers Dr. Jost griff ein.
    „Wieder einmal, hohes Gericht, kommt die Anklageseite mit Vermutungen und Verdächtigungen. Dabei baut sie erneut ein geheimnisvolles Imperium auf. Was werden wir letztendlich finden? Leere Katakomben“, er zog die beiden letzten Worte schmerzlich in die Länge. Dabei ging er auf die höchstamtliche Untersuchung der von Schütz

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