Der Kofferträger (German Edition)
nicht, was ich geerbt hätte. Deshalb lasse ich mir einen nachmachen.“
„Viel werden sie da nicht erben“, wiegte Grabowski enttäuscht seinen Kopf. „Schlüssel aus dieser besonderen Legierung benutzt man, wenn es um feuchte Räume geht. Also, wenn da irgendwie Wasser drin ist. Da kann nicht viel für ihr Erbe drin sein. Das würde längst verrottet sein. Es sei denn ...“
„Na, es sei denn was?“
„Es sei denn, es ist Gold, Silber oder ein Edelmetall. Nur so ein Gedanke von mir.“
Schütz lachte ihn freudestrahlend an.
„Vielleicht habe ich da doch einiges zu erwarten. Aber mein Onkel hatte kaum Gelegenheit, Reichtümer anzuhäufen, die er auch noch vererben würde.“
“Na, ja, man weiß nie “, meinte Grabowski erklärend.
Bei nächster Gelegenheit gab Schütz den Originalschlüssel beinahe entschuldigend an Brutus zurück.
„He alter Junge, nimm ihn wieder an dich. Ich hoffe, du hast ihn zwischenzeitlich nicht gebraucht.“
Nun hatte er einen geheimnisvollen Schlüssel. Wo waren aber das dazugehörige Schloss und die Tür, erst recht der Mysterienraum, zu dem der Schlüssel führte?
In H.B. s Bungalow? Vielleicht. Schließlich befand sich seine Villa zwischen einem See und einem Fluss. Sein Onkel hatte sich schon einige Male über die feuchten Räume beschwert, vor allem, wenn das Wasser der Spree gestiegen war und über das Grundwasser in die Kellerräume drückte. Eine andere Möglichkeit war durchaus das Bundeskanzleramt, das seit den Anfängen der 2000er Jahre direkt am Ufer des Flusses in dem berühmten Spreebogen lag. Hier konnte er sich noch eher einen solchen Raum vorstellen. Bevor er bei seiner Nachforschung Verdacht erregte, wollte er mit unbedarften Befragungen erst einmal alle Möglichkeiten eruieren. Wo gäbe es die Möglichkeit und die Notwendigkeit eines Raumes mit feuchten Schlössern? Führte ihn dieser Schlüssel zu den Lösungen der Rätsel um Drogen, Geld und Tod? Oder hatte ihn Brutus auf eine falsche Fährte gesetzt? Auch das wäre möglich.
8 Kompass der Santa Maria
Wie ein Staatsempfang wurde er angelegt. Der Geburtstagstreff im Hause seines Onkels und seiner Tante Marga hatte sich immer wieder verschoben. An diesem Sonntag, den 12. April fand man endlich in kleinem Kreis zu den Ehrungen zusammen. Anita und Jürgen Schütz besuchten Onkel H.B. und Tante Marga. Die lange Auffahrt von Norden im Schlossgarten zwischen dem Karpfenteich und der Spree war mit grobem Kies ausgelegt. Es fuhr sich dort entlang wie zu einem Feudalsitz eines Baumwoll – Plantagenbesitzers in den USA in den Sezessionskriegen.
An diesem kalten Apriltag lag auf dem Karpfensee pulverfrischer Schnee. Das stehende Wasser darunter war zu einer festen Eiskruste erstarrt. Die Spree atmete Stille, der Schlossgarten rundherum war wie ausgestorben. Jürgen parkte seinen metallisch rot leuchtenden BMW vor dem Treppenaufgang zur Spreeseite hin. Wie ein Feldherr, in seiner Positur eher dem Hohenzollern Soldatenkönig als Friedrich dem Großen ähnelnd, nahm H.B. von der obersten Terrassenstufe die Ankunft der beiden wie eine Parade ab. Das kolossale Bauwerk hatte sich den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Zwischen Spree und dem Karpfenteich war nicht allzu viel Platz für ein größeres Gebäude. In der Länge aber war der Architekt beinahe unbegrenzt seinen überdimensionierten Ideen nachgegangen.
Vor der weit ausladenden Fensterfront zum stillen Karpfensee hin ruhten Onkel und Jürgen Schütz in gewaltigen Sesseln. Sie pafften g emeinsam, Jürgen eine Happy Hour , Onkel eine Havanna, die nur ab einem bestimmten Leibesumfang angemessen wirkte. Die beiden Frauen machten sich in der Küche mit Kuchen und Kaffee zu schaffen. Sie schauten aus dem gegenüberliegenden Fenster auf die windstille Spree.
Über den metallenen Koffer fiel nicht ein einziges Wort. Wie nebenbei erwähnte H.B. ein interessantes Gespräch in der kommenden Woche im Kanzleramt. Zugegen seien nur der Gesundheitsminister und Vertreter der MESF AG, die ihm ein Forschungsergebnis über das Entwöhnen von der Rauchersucht präsentieren wollten. Er lud ihn freundlichst dazu ein, an diesem Gespräch teilzunehmen. „Vielleicht findest du einen Weg, von deiner eigenen Sucht, wie du es nennst, befreit zu werden. Höre dir das einfach mal an.“
Die Idee versetzte den süchtigen Raucher in Erregung, doch antwortete er: „Um sich zu befreien, ist es das Beste, die Werbung einzustellen. Noch besser wäre es, die Zigarette vom
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