Der Kofferträger (German Edition)
Geld? Mir scheint, du bist der richtige Mann, den sich H.B. aussuchen konnte.“
„Ja, meinst du? “, fragte Jürgen. „Manchmal ist es schwer genug, das Richtige zu tun.“
„Ich bin davon überzeugt, du kannst entscheiden, was wichtig und was unwichtig ist. Ohne dich näher zu kennen, kauft man dir die richtige Entscheidung ab.“
Jürgens Pause war entsetzlich lang, er wartete auf die Frage. Doch war er nicht bereit, die Unterbrechung aufzufüllen. Welche unsittlichen Anträge würden ihm jetzt gestellt werden, dachte er, war er schneller als er dachte in den Sog der Verbrechen geschliddert? Nach einer Kunstpause fuhr Edmund fort:
„Ich denke, dein Einfluss auf den Kanzler ist groß. Kannst du dich für meinen Kreis verwenden, bei dem Alten? Ich muss für den Wahlkampf eine Lücke auffüllen, die mehr als zweihunderttausend beträgt. Wenn ich gegen die Linken und die anderen bestehen will, müssen wir mehr auf der Kreisebene werben. Wir brauchen für die Kleberkolonnen zwei PKW und ein bisschen heißen Tee für die Nächte.“
Seine Fragen klangen wie Gebete zu dem großen Gott H.B.
„So, ihr braucht heißen Tee für die Nächte?“
„Ja, ja. Weißt du, der Alte hat ja schon für Kreise im Norden, im Westen und ganz besonders viel im Osten in seine Zauberschatulle gegriffen. Das ist ein offenes Geheimnis. Vor allen Dingen für uns, die wir ihn immer wieder wählen, könnte er doch etwas tun.“
„Ich weiß nichts davon, inwieweit H.B. für die Kreise in den von dir angegebenen Regionen etwas getan hat.“
Edmund lachte verlegen.
„Ja, ja, du hast Recht, Jürgen“, er schaute sich blinzelnd um, ob sie von irgendjemand belauscht werden könnten. Da dies nicht der Fall war, fuhr er fort „auch für einen Kanzler ist es schwer zu sehen, wer wann, welche Hilfe benötigt? Wir können ihm auch nicht ständig auf der Tasche liegen. Behalte meine Frage in Erinnerung. Auch manch eine Bitte nicht auszudrücken, könnte ein Fehler sein. Mit manchen Karten hat er selber offen gespielt und ausgedrückt, wann er welches Loch gestopft hat. So wie im April in Südsachsen, im Juli in Mecklenburg und im September im Saarland.“
Schütz bedachte diese Bemerkungen noch nicht einmal mit einem Kopfnicken, selbst ein Lächeln versagte er sich. Wenn die wüssten, wie unbedarft er, Jürgen Schütz, auf dieser Spielwiese war. So sagte er nur:
„Komm Edmund, wir schauen einmal, was die Mädels in der Küche machen. Langsam wird es Zeit, das Weibergequatsche zu beenden.“
Noch in derselben Nacht zeigte ihm Anita ihre große Liebe. Herrlich solch eine lange Party, dachte er. Wenn es nicht zu viel war, dann machte Alkohol seine Frau stets grenzenlos scharf. Nachdem sie von ihm abgestiegen war, starrte Jürgen erschöpft gegen die Decke. Sie kam aus dem Bad zurück, legte sich neben ihn und schaute ihn an.
„Hast du Sorgen?“
„Hm?“
„Gibt es etwas, das du mir mitteilen kannst?“
Sollte er jetzt den Nachklang des wahnsinnigen Orgasmus so brutal töten? Und doch fragte er direkt:
„Gibt es e twas, was du mir sagen willst?“, er fixierte das Weiß an der Zimmerdecke.
„Ich? Nein. Bei mir tut sich so wenig, dass ich beginne, mich nach meinem wirklichen Zweck zu fragen.“
„Bist du manchmal auf Geschäftsreisen?“
„Ich? Ich auf Geschäftsreisen? Wie kommst du denn darauf?“
Mit analysierendem Lächeln hatte er sie bei seiner Frage genau beobachtet und glaubte für den Bruchteil einer Sekunde ein unsicheres Flackern in ihren Augen entdeckt zu haben.
„Wie kommst du auf derartige Vermutungen?“ Anita hatte ihre Sicherheit wieder gewonnen.
„Wohin sollte ich denn für welche Geschäfte verreisen? Was schlägst du mir vor?“
Ihre Aussagen klangen natürlich und selbstverständlich. Schütz zweifelte selbst an dem Sinn seiner Frage.
„Ach nur so“, meinte er. „Vielleicht hast du eine Doppelgängerin?“
„Wieso, hast du dich mit ihr amüsiert? War sie im Bett besser als ich, oder zumindest gleich gut.“
„Du weißt, niemand stöhnt so wie du“, entwarnte er.
„Das will ich meinen“, war ihre Antwort, und es klang, als hätte sie speziell dafür trainiert.
In dem Maße, wie Anita seine Verdachtsmomente auf die leichte Schulter nahm und sie veralberte, entschwanden seine Sicherheit und sein Trotz. Sie sollten erst viel später wieder auftauchen.
*
Es lag der Entwurf für die Genehmigung des Antirauchermedikamentes ‚Nicoclean‘ vor. Sie hatten sich in dem Konferenzraum
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