Der Kofferträger (German Edition)
auf meine Zimmerrechnung. Aber nur meine vier Sherrys. Ich will das unterzeichnen, bevor ich gehe.“
Der Barkeeper ließ ihn die vier Getränke abzeichnen. Als sich Schütz zum Gehen wandte, hörte er hinter sich das Mädchen schimpfen.
Er drehte sich blitzschnell um. Sie schaute ihm nach und hatte ihn gemeint. Zwei Männer standen neben ihr. Die Hure schaute sie an und hob entschuldigend die Schultern hoch. An dem Gürtel des einen sah Schütz das Metall einer Kamera blitzen.
In seiner Suite blickte er in den Spiegel, ihm war zum Kotzen. Er warf sich ins Bett und sch lief seit ein paar Nächten zum ersten Mal wieder traumlos.
Die Nacht hatte ihn saniert, dachte er. Unter den Wechselbädern aus heißem und kaltem Wasser in der Dusche fand er seine Selbstsicherheit zurück. Er wagte sich zum Frühstück, war ein Gast unter vielen. In dem international besuchten Hotel griff er sich eine deutsche Tageszeitung. Die Berichte aus Berlin waren reißerisch aufgemacht. Nach ein bis zwei Tagen wäre die ganze Geschichte wieder im Lot, auch wenn sich die Presse scheinbar noch so sehr auf eine delikate Affäre in Berlin stürzen mochte. „Lasst dort draußen die Donner grollen“, konnte H. B. weise rezitieren, „die Gewitterwolken ziehen umso schneller vorbei, je gewaltiger sich das Grollen ankündigte.“
Wenn das nicht eine eklatante Fehleinschätzung wäre, dachte er. Wenn der Karren der ehrlichen Information erst einmal den steilen Hang hinabrollte, würden sich de m Ersten weitere Mutige anschließen. Bisher deckten sie den Mantel des Schweigens über das Handeln in Berlin. Überall, wo er sich befand, selbst hier in Mailand, fühlte er die Wucht und Anmaßung seines Chefs allgegenwärtig. Er fühlte sich verfolgt vom Geld, den TV-Berichten, Zeitungsmeldungen und Besprechungen.
„Was wollen m eine Mittagsgäste von mir?“
Was könnte an diesem Tag noch auf ihn zukommen? Er rechnete nicht mit dem, was tatsächlich noch geschehen sollte.
21 Das Netz vergrößert sich
War es das, was er erwartete, oder hatte die Spinne neue Fäden gesponnen?
Der Hoteldirektor persönlich kündigte seine Gäste an, dabei vergaß der Chef des Hotels nicht, ihm mit singender Stimme einen freundlichen Rüffel zu verpassen.
„Signore Schütz, Sie hätten mir doch sagen können, welch hohen Besuch Sie empfangen wollten. Wir hätten Ihnen einen anderen Salon besorgen können.“
Als sie unter der Führung des Hoteldirektors eintraten, stellte ihm der Chef des Hauses die Gäste vor. Bis zu diesem Moment kannte er nur ihre Namen und ihre Funktionen. Gesehen hatte er diese Herrschaften zuvor noch nicht.
„Signore Schütz, das ist Signore Francesco Bertoldi, Presidente der neuen italienischen Partito Christiano Generale, der PCG. Das ist Signore Andrea Colonna, der Generalsekretär der Partei und Signorina Corinna Malpesi, die Dolmetscherin. Ich wünsche der Dame und den Herren einen guten Appetit“, fügte er hinzu.
Jürgens Blick fiel auf die junge Frau und klebte eine Weile an ihrem Äußeren. Die beiden Italiener sprachen kein Deutsch und kein Englisch, er kein Italienisch. Er hütete sich vor Klischees, doch fiel ihm bei den beiden spontan der Begriff Macho ein, als er sie betrachtete. Etwas kleiner als er, beide gut aussehend, gut gekleidet und sehr gepflegt. Die junge Italienerin, die als Dolmetscherin vorgestellt worden war, sprach fließendes, akzentfreies Deutsch, bis auf einen leichten Hauch bayerisch. Sie übersetzte in Ho chgeschwindigkeit die Gespräche in einer dennoch zurückhaltenden Art und Weise. Eine Frau so gegen dreißig. Eine deutsch-italienische Mischung repräsentierte sie. Vielleicht einen Meter und zweiundsiebzig Zentimeter groß. Ihr schwarzes Haar, die feurigen, dunklen Augen unterstrichen das feine Gesicht mit einer zierlichen Nase und ein wenig hochgestellten Wangenknochen. Eine Frau, die jedes Designerkleid und jedes Kostüm tragen könnte. Ihre Haut wies den leichten südländischen Teint auf, von dem man nicht sagen mochte, war er nun dunkel oder nicht. Er war einfach nicht blass. Diese Haut verströmte den jugendlichen Scharm einer Achtzehnjährigen. Immer wieder schwenkte sie eine Haarsträhne mit einer aparten Handbewegung aus den Augen. Sie war weiß Gott schlank mit wundervollen, lockenden Hüften, einer engen Taille und einem Busen, der ihn kräftig durchatmen ließ. Sie war schön. Dabei war sie schlicht gekleidet. Dunkler Rock, der etwas über die Knie fiel, eine Bluse und
Weitere Kostenlose Bücher