Der Kofferträger (German Edition)
Faden hinzu.
Das Telefon summte. Sie fragte ihn nicht, wo er war. Dafür diktierte sie ihm eine Nummer, die er noch am selben Abend anrufen sollte, um dort seine Adresse zu hinterlassen. Dann, als läse sie den Wetterbericht vor. „Herr Schütz, eine meiner Sekretärinnen, die Frau Jenisch, wurde heute aus der Spree gefischt. Wie es heißt, soll sie sich selbst umgebracht haben wegen einer unerfüllten Liebschaft.“ Dann hing Frau Hubert ein. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Schütz verstanden hatte. Wie das? Die glückliche Frau Jenisch. Die Schönheitsperle im Bürotrakt. Selbstmord?
Die mafiosen Streiche setzten sich fort. Der Tod des Buchhalters Klingenberg erschien ihm durch den erneuten ‚Selbstmord‘ in einem anderen Licht. Frau Jenisch galt als eine der korrektesten und saubersten Angestellten. Welch tödliche Dolchstösse dachte er. Markenzeichen „Rechtschaffenheit“ und „Qualität“ als sicherer Garant für einen ‚Selbstmord‘? Sein Job wurde branntheiß. Nur wenn er den ganzen Schlamassel mitmachte, wäre er in sicheren, aber erpresserischen Händen.
Unter der von Frau Hubert angegebenen Nummer meldete sich eine sanfte Frauenstimme. Schütz dachte an seine kleine Frau, sehnte sich nach ihr zurück. Unwillkürlich schaute er über den hell erleuchteten Abendhimmel. Irgendwo dort kreiste sie herum. Was tat sie gerade?
Die weiche Stimme am anderen Ende der Leitung wechselte in ein fließendes Deutsch.
„Ach Herr Schütz, gut sie zu hören. Ich habe bereits auf Ihren Anruf gewartet. Das ist ein gutes Hotel, in dem Sie sind. Sie werden morgen Mittag in ihrer Suite mit zwei Herren speisen. Ich werde als Dolmetscherin dabei sein. Lassen Sie doch bitte eine Tafel für vier Personen vorbereiten. So gegen dreizehn Uhr. Wir werden an der Rezeption nach Ihnen fragen.“
Dieses italienische Temperament in der deutschen Sprache ließ sein Blut heiß werden. Die wenigen Tage, die er von zu Hause fort war, stellten seine Liebe auf eine harte Probe. Die Stimme klang jung und sehr lebendig, er schätzte so um die fünfundzwanzig bis dreißig. Wenn seine Vermutung stimmte, könnte die Stimme zu einer rassigen Italienerin gehören. Allein durch den Wohlklang der Worte könnte sie ihm den Kopf verdrehen. Bis morgen Mittag blieb die Welt noch in Ordnung. Mit einem Seufzer erhob er sich aus seinem Sessel und ging ins Bad. Er zog sich aus und stellte sich unter die Massagedusche. Er wusch sich de n Schmutz der Reise, den Schweiß der Anstrengung und das Schmiergeld der politischen Unterwelt vom Leibe. Immer wieder wechselte er zwischen heiß und kalt. Ganz besonders zum Schluss ließ er über seinen Kopf das eiskalte Wasser fließen. Anschließend fühlte er sich frisch zum Bäumeausreißen.
Bis auf wenige Mark brachte er seine Mäuse in dem kleinen Tresor unter und verließ die Suite. Die Bar wirkte auf Anhieb seriös, wies anstatt der grünen Sitze im Empfang, dunkelrote Ledersessel auf, der Fußboden der gleiche in dunkelrotem Parkett, wie in der Rezeption. Abseits vom Tresen nahm er an einem kleinen Tisch Platz, an dem ohnehin nur zwei Sessel standen. Weit genug von den Übrigen entfernt, brauchte er sich nicht mit jemandem auseinanderzusetzen. Eine italienische Wochenzeitschrift sollte ihm ein wenig Ablenkung schenken. Nach dem ersten trockenen Sherry orderte Schütz den Zweiten. Beim Dritten stützte er seinen Kopf in die Hände und atmete tief durch. Als er vor seinen Augen ein buntes Sommerkleid entdeckte, schaute er auf und blickte in das Gesicht einer jungen Frau. Fragend schaute er sie an, wusste nicht, was er mit ihr anfangen sollte. Aber er schwieg.
„Guten Abend “, sagte sie.
„Muss ich S ie kennen?“
„Wahrscheinlich nicht. Aber wir sollten uns kennenlernen.“
Oh Gott, auch das noch, arbeitete es in ihm. Was sollte er mi t einer Hure an seinem Tisch?
„Weder Lust noch Laune, noch Geld. Lassen Sie mich bitte in Ruhe. Gehen Sie woanders ihrer Arbeit nach.“
„Man wird sich doch noch ein w enig unterhalten können, seien Sie doch nicht so unhöflich.“
„Ich bin verheiratet, meiner Frau treu und außerdem habe ich wirklich keine Lust.“
„Sie brauchen doch nicht gleich ihrer Frau untreu zu werden. Das verlangt doch niemand von ihnen.“
„Nein, was wollen Sie dann?“
„Nur eine kleine Unterhaltung mit Ihnen.“
„Ich aber nicht mit Ihnen. Und jetzt lassen S ie mich bitte in Ruhe.“
Mit einer Handbewegung winkte er den Barkeeper herbei.
„Schreiben Sie das bitte
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