Der Kofferträger (German Edition)
sein, wie eine Handvoll Wahnsinniger bis zu ihrem Lebensende ein teuflisches Monopoly trieben, dachte er. Mit sicherer Stimme und Druck auf seinen Worten wollte er wissen, wo denn das Geld herkäme.
So forschte er mit den historischen Kenntnissen, die seinem Chef alle Ehre gemacht hätten, nachdrücklich:
„Stammen die Summen aus der Schatztruhe, die von den Medici für den Einheitskaiser Karl V. gespendet wurden“?
Sie freuten sich, lachten und meinten, er habe den Geschichtszusammenhang richtig erkannt. Der neue Kaiser allerdings stamme nicht von den Habsburgern ab, oder doch? Schütz winkte ab, das war nicht sein Thema, anderes bewegte mehr seine Fantasie.
„Ich hab allerdings keine Lust auf meinem Rückweg einer Meute Mafiosi in die Hände zu fallen. Weder bin ich im Nahkampf noch in einer Verteidigungstechnik ausgebildet.“
Signore Francesco Bertoldi legte seinen italienischen Scharm wie ein Make-up auf. Nachdrücklich wischte er mit einer seidenen Serviette über seinen wahrheitsliebenden Mund. Mit auf dem Tisch ausgebreiteten Armen lehnte er sich langsam auf seinem Stuhl zurück. Er pumpte frische Luft in seinen Brustkorb, der das treue Herz beherbergte. Es rauschte zwischen seinen Zähnen, in seinem Verstand arbeitete es. Schütz war davon überzeugt, nun käme ein italienisches, politisches Strafgericht über ihn. Wenn auch nicht mit einer Keule, so drohte ihm der Italiener doch den Garaus mit dem strengen Klang seiner Stimme zu machen.
Bertoldi dozierte über die Berechtigung seiner Frage, über das große ‚Vertrauen’. Schütz machte das Wort endgültig nervös. Lieber rechtzeitig zündete er sich eine ‚ Happy Hour ‘ an. In seiner neuen Rolle fühlte sich der junge Mann nicht wohl, wollte dem ganzen Scheingefecht ein Ende bereiten. Er schlug kurzer Hand vor, eine solch große Summe doch lieber über eine Bank zu überweisen.
„ Der sicherste Weg sind Sie, das meinen die Stellen in Berlin. Sie können gar nicht ‚Nein‘ sagen, bei einem solch großen Kompliment“, sagte Bertoldi. „Das Geld stammt von ehrenwerten Herren, die eine große Rolle in der Wirtschaft spielen und für die Stabilität in Europa sind.“
„W elche vertrauenswürdigen Herren haben so freizügig für die deutschen Kanzleranhänger gespendet“, bohrte Jürgen nach. „Mafiosi nennen sich auch ehrenwerte Herren“, teilte er unbedarft mit, „und sie treiben große Geschäfte in dunkelblauen Anzügen“, er lachte dabei über seinen eigenen Witz.
„Wir haben nichts damit zu tun“, erhielt er als ernste Antwort. Frau Malpesi hatte Mühe bei dieser Übersetzung ein Lächeln zu unterdrücken. Sie allein war in den beiden unterschiedlichen Mentalitäten zu Hause und sie allein in diesem Kreis wusste von der Gefährlichkeit der unterschiedlichen Interpretation.
„D ie Herkunft der zehn Millionen entspricht unseren Vereinbarungen. Seien Sie beruhigt, ihr Heimweg ist eher geschützt als bedroht“, sagte Bertoldi.
In Gedanken baute Jürgen ein Dorf vor seinen Augen auf. In der heißen Mittagsglut des gnadenlos vom Himmel brennenden Sonnensterns dämmerte das Dorf ‚Corleone‘ im Staub der vertrockneten sizilianischen Apfelsinenplantagen. Nicht einmal einen Mord an einem ihrer Freunde oder sogar einem Familienmitglied teilten die verängstigten Bewohner der Polizia mit. Dafür aber waren sie beschützt vor den anderen gnadenlos räubernden Strolchen.
„Gut denn, das wollte ich wissen“, bestätigte er. „Über den Vorgang muss ich noch mit meinem Chef korrespondieren.“
Sie nickten ernst. Mit freundlichen Worten ging man auseinander.
Allein in seiner Suite warf er sich auf das Bett und verschloss die Augen. Welches Spiel trieb H. B. mit ihm? Entweder der Kanzler war ein Meister des Verstellens und der Verschlüsselung, oder er hatte tatsächlich nichts damit zu tun. Ein Haufen Irrer kämpfte immer noch gegen Kommunismus und radikalen Sozialismus. Sie führten einen Krieg und schlugen tägliche Schlachten gegen die vermeintlichen Feinde der Demokratie. Dabei merkten sie nicht, wie sie sich selbst zu den größten Zerstörern der Demokratie auswuchsen.
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Eine in den feudalistischen Strukturen stecken gebliebene Bande, die sich nach Jahrhunderten wieder auf den Weg machte, ihre alten Pfründe zurückzuerobern. Seine Erkenntnisse verliefen sich in Hunderten verschiedener Kanäle. Allzu leicht konnte er den Überblick verlieren.
„Ist es albern, dümmlich oder idiotisch“, was ich mir da ausdenke?,
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