Der Kofferträger (German Edition)
vermehrt zu tun bekommen würde. Wer hatte sie ihm auf den Hals gehetzt?
Schütz dachte an den letzten Schwarzgeldskandal, der die Republik zur Jahrtausendwende erschüttert hatte. Als Kind hatte er nichts davon mitbekommen, nur später darüber gelesen. Damals ging es um mehr als zwanzig Millionen DM, eine wie ihm schien vergleichsweise lächerliche Summe gegen die Beträge, die im jetzigen Spiel zur Disposition standen. Nach monatelangem Gerangel, der schlussendlichen Verurteilung von einigen Schuldigen und dem moralischen Wiederaufbruch zu neuer Ehrlichkeit in der Politik war schließlich Gras über die ganze Sache gewachsen.
Vor allem aber bestand noch ein großer Unterschied von heute zu den Ereignissen der Verg angenheit. Das eine war Geschichte, das andere grausame Wirklichkeit, bei der er selbst nicht Zuschauer, sondern Akteur war.
Ohne Wecker wachte er am nächsten Morgen erst gegen zehn Uhr auf. Der Zimmerservice fragte nach, ob er ein Frühstück in seinem Zimmer nehmen möchte.
„Danke nein, ich werde mit meinem Auto aufs Land fahren und dort irgendwo frühstücken.“
Dann duschte er sich. Während noch das Wasser lief, rief er Frau Malpesi an.
„Kann ich zu Ihnen kommen?“
„Ja, ich erwarte Sie. Mein Name steht in der Klingelreihe, das hatten sie wohl gestern übersehen. Bis gleich.“
Mit seinen geheimdienstlichen Fähigkeiten war es noch nicht weit her, sonst wäre ihm ihr Name schon gestern aufgefallen. Als er sich angekleidet hatte, steckte er das Geld ein und spähte aus der Tür. Der Korridor lag in sonntäglicher Ruhe vor ihm. In einem gegenüberliegenden Zimmer surrte der Staubsauger. Schütz ließ seine Tür angelehnt und wartete auf das Ende des Putzgeräusches. Das Zimmermädchen verließ den Raum, ging zum nächsten. Er hängte das Schild „Do not disturb“ an den Knauf, verschloss sorgfältig seine Tür. Der Teppichboden schluckte die Geräusche seiner Tritte. Und wieder benutzte er die Treppen. Ein kaltes unfreundliches Treppenhaus, das nur für Notfälle geeignet war. Hier lief er bis nach unten. Im Parterre öffnete er die Tür mit der Aufschrift ‚Rezeption‘ nur einen Spalt weit.
In einem der Sessel fläzte sich einer der beiden schwergewichtigen Ganoven und beobachtete ‚uninteressiert‘ die Aufzüge. Vorsichtig schloss Schütz die Tür wieder und ging durch die andere stählerne Tür mit der Bezeichnung ‘Ausgang‘. Zwischen Kisten und Papier zwängte er sich durch einen langen Flur, in dem selbst an diesem Sonntag frische Lebensmittel angeliefert wurden. Dann stand er im Hof. Ein unwirtlicher Platz, mit LKW zugestellt. So konnte er sich zwischen den großen Wagen zu einer gegenüberliegenden Straße schmuggeln. Von dort aus lief er noch zwei Querstraßen weiter, schaute sich wiederholt um. Niemand schien ihm zu folgen. Er winkte ein Taxi herbei und fuhr zu via Svetonio Nr. 216, Ecke Piazzale Libia, dem Appartementgebäude. Er hatte kaum geklingelt, als die Tür aufsprang. In dem Aufzugspiegel richtete er sich ein wenig die Haare. In der fünften Etage empfing sie ihn am Lift, geleitete ihn in ihr kleines, aber sehr gemütliches Appartement.
„Einen schönen Trick haben Sie sich da ausgedacht . Ich bin gespannt, wie Ihre Begegnung der anderen Art aussah“, schenkte sie ihm ihr zärtliches Lächeln. Gleich war er wieder von der samtenen Stimme eingefangen. Als hätte sie keinen Besuch erwartet, war sie sehr sportlich gekleidet. Enge, sehr enge Jeans, ein sportliches Hemd, das ein wenig offen stand, in dem ihre Brüste mühsam Raum fanden. Sie hatte die Ärmel des Hemdes hochgekrempelt, war wieder in die kleine Kochküche zurückgekehrt und wirtschaftete dort herum. „Ich denke mal, Sie haben noch nicht gefrühstückt“, rief sie durch die offen stehende Tür.
„Erraten“, rief er. „Kann ich Ihnen helfen?“
Dabei war er längst zum Eckfenster gegangen und versuchte auf die Straße zu schauen. Er entdeckte niemanden. Ein verkehrsarmer Sonntagmorgen begrüßte ihn. Die Straße war von hier aus gut zu übersehen. Vor allem jedes Auto hätte er weit und breit erkennen können. Sie antwortete auf seine Frage „Nein danke, ich schaff‘ das schon alleine.“
„Wie bitte“, fragte er verwirrt. „Was soll ich tun.“
„Oh Gott, Herr Schütz. Was ist los. Warum sind sie so unkonzentriert“?
Sie kehrte mit Kaffee, Croissants, Butter und Marmelade zurück.
„Ich hoffe, das sagt Ihnen zu“?
„Ja, danke wunderbar. Ich habe jetzt richtig Appetit.“
Er
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