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Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Titel: Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Paul Niemann
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Tobias spielte in der Auffahrt mit seinem Fußball. Trat ihn immer
wieder gegen das Holzgatter. In der Ferne wetterleuchtete es. Da war doch noch
etwas anderes, ganz weit hinten in einem Winkel ihres Kopfes, schon fast
vergessen. Irgendein Wortspiel, das sie nicht mehr zusammenbekam.
    »Unglücksbote«, murmelte
sie. »Oder ein Geschenk des Himmels. Ein Schatz, nach dem sie alle suchen.
Durch die Fügung eines Blitzes …«
    Wer hatte das gesagt?
Vielleicht der Patrick, während er den Strudel aß?
    »Wenn ich mich nur
erinnern könnte!« Aber ihr Kopf war wie vernagelt.
    Von unten schlug
sechsmal die Küchenuhr. Maria seufzte. Die Kühe warteten aufs Futter, und
danach warteten der Xaver und der Tobias aufs Abendbrot. Die Übelkeit war fast
verschwunden. Und je früher sie mit der Hausarbeit fertig war, desto eher würde
sie wieder ein halbes Stündchen Ruhe finden. Alles in allem war die Kommissarin
nicht sehr überzeugend gewesen. Drei Weißwürste hatte sie verzehrt und den ganzen
Radi. Aber ihre Fragen waren sehr allgemein und oberflächlich geblieben, so als
würde sie noch im Dunkeln stochern.

5
    Der Aschenbecher quoll
über vor Kippen. Ihre Zungenspitze spielte an der Unterlippe. Sie steckte sich
ein Bonbon in den Mund, um nicht schon wieder zu rauchen. Vor sich sah sie
immer noch das Blut, dick war es aus dem Schädel des jungen Mannes getropft.
Sonderbarerweise hatte ihr das nichts ausgemacht, obwohl es doch Menschenblut
war.
    »Menschenblut«, sagte
sie zum dritten Mal.
    Es war ganz grau gewesen
im Mondlicht. Aber selbst wenn der helle Tag es rot gemacht hätte, hätte es sie
nicht geschreckt. Ganz unbeteiligt hatte sie zugeschaut und sich hinterher eine
Zigarette angezündet. Vor Blut hatte sie sich noch niemals geekelt. Es hatte
sie immer erregt. Sie mochte den Geruch, so wie sie auch den Geruch von Feuer
und verkohlendem Holz mochte und den Geschmack von bitteren Kräutern. Sie hatte
viel probiert im Leben. Wer schwankend war, den ließ es fallen. Wer sich
fürchtete, den brachte es um.
    Nun griffen die Krallen
doch nach den Zigaretten. »Der Einzelne ist nichts, die Gruppe ist alles …«
    Dieser ganze Schmarrn!
Seit dreizehn Jahren war sie dabei. War eine der Ersten gewesen. Hatte alles
gegeben, alles getan. Ihre kostbare Lebenszeit verschwendet für das Seelenheil
der Gemeinschaft und für ihn .
    »Hohepriester!«, stieß
sie böse hervor. »Wie blöd bin ich eigentlich gewesen?«
    Als sie ihn
kennenlernte, war sie jung gewesen. Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick.
Hatte keine Wurzeln geschlagen, keine Familie gegründet, kein Apfelbäumchen
gepflanzt. Da war das wie ein weiteres Abenteuer gewesen. Ein Kelch, aus dem
sie trinken durfte, angefüllt mit süßer Bedeutsamkeit. Die Einweihung, die Prüfungen.
Und er, der große Meister, die verborgene Eminenz mit dem ausdruckslosen
Beamtengesicht, der ein Funkeln in den Augen hatte, dem sie nicht gewachsen
war. Er konnte seine Worte so gut setzen, dass es keinen Widerspruch gab. Die
Menschen waren Marionetten, und er war der große Puppenspieler, der die Fäden
hielt.
    Sie warf die Kippe aus
dem Fenster. Um Macht ging es, nichts anderes. Der Rest war Dekoration. Die
Feiern, Rituale, das Gefühl von Gemeinschaft und Stärke. Die Dummheit der Menge
war sein Kapital. Die ersten Jahre mit ihm waren wirklich großartig gewesen,
wie ein endloser Rausch. Sie waren viel gereist. Er hatte Seminare gehalten,
seine Ideen verbreitet. Sich die Taschen mit Geld gefüllt. Und sie stets an
seiner Seite. Dann war er sesshaft geworden und hatte die Gruppe um sich
geschart. Und sie war plötzlich nicht mehr gut genug gewesen, war immer mehr an
den Rand geraten. Er hatte sie fallen lassen, behandelte sie wie Dreck. Zwang
sie, in diesem abgelegenen Kaff zu leben, aus irgendwelchen nicht
nachvollziehbaren Gründen. Wahrscheinlich nur, um sie spüren zu lassen, wie
bedeutungslos sie war.
    Gar nichts war ihr
geblieben. Keine Familie und kein Apfelbäumchen. Nichts, was ihr gehörte. Nicht
einmal seine Aufmerksamkeit. Sie war gerade noch gut genug, die Drecksarbeit zu
übernehmen, die Kastanien aus dem Feuer zu holen und den Kopf hinzuhalten, wenn
es brenzlig wurde.
    Sie griff bereits nach
dem nächsten Glimmstängel. »Du vergisst, wie viel ich für dich getan habe«,
knirschte sie. »Wenn man mich erwischt, werde ich nicht allein hochgehen! Du
solltest besser Angst vor mir haben, statt mich schlecht zu behandeln.«
    Sie starrte auf das
Labyrinth an der Wand, das ihr

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