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Der Komet

Der Komet

Titel: Der Komet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Stein
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Awinu und Jakow Awinu – unseren Stammvätern seligen Andenkens – einst versprochen, dass Er bis ans Ende der Geschichte bei uns sein wird; und dieses Ende wird nicht der Weltuntergang sein. Das ist unser Schwimmunterricht, darauf bauen wir. Diese Zuversicht wird im Judentum als staatsbürgerliche Tugend betrachtet – sie ist nichts weniger als eine Mizwe: eine religiöse Pflicht.
    Ani ma’amin be-emunah schelejma bewiass ha-moschiach; af-al-pi schejissmameja im kol se echakelo kol jom sche-jawo. Ich glaube mit vollkommener Zuversicht an das Kommen des Moschiach; und auch wenn er seine Ankunft verzögert, warte ich doch täglich, dass er kommt. Kein Komet kann daran etwas ändern.
    A gut gebenscht Johr, ein süßes Jahr 5761. Gott schütze unseren Kaiser und die Kaiser-Gemahlin; Gott halte seine schützende Hand über das Haus Habsburg. Gott schenke unseren Politikern Weisheit und Kraft. Gott segne unsere Monarchie mit Frieden und Wohlstand. Gott breite das Zelt seines Friedens über uns, über dem ganzen Volk Israel und über Jerusalem aus.
    Wir setzen fort mit wenislach lechol adass bnäi jissroel – in den ›Festgebeten der Israeliten‹ auf Seite 35, im Schottenstein-Machsor auf Seite 48. Ich wünsche Ihnen allen zom kal – möge das Fasten bis morgen Abend Ihnen und Ihrer Familie leichtfallen. Und ich wünsche Ihnen gemár chássima towa – mögen Sie alle im Buch des Lebens eingeschrieben werden.«
    Dies ist die Predigt, die Kardinal Heinrich Grausenburger während der Christmette, also in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember, in der Domkirche St. Stephan zu Wien vor vollem Hause hielt: »Liebe Brüder und Schwestern! Ein Stern ist aufgegangen über Bethlehem. Gottes Liebe wurde Mensch in Jesus; lasst uns dem Stern folgen und das Kind anbeten. So heißt es im Evangelium des Matthäus: Die Sterndeuter aus dem Osten kamen nach Jerusalem und erkundigten sich nach dem neugeborenen König der Juden, dem Messias, dessen Stern sie hatten aufgehen sehen. König Herodes und die Schriftgelehrten erschraken, als sie davon hörten; die Sterndeuter aber machten sich auf den Weg. ›Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Und als sie den Stern sahen, wurdensie von großer Freude erfüllt.‹ (Matthäus 2,9 – 10) Manche unter uns können diese Worte heute nur mit einem gewissen Schaudern, ja mit Zynismus aufnehmen – vor allem dann, wenn wir daran denken, wie jener Stern in volkstümlichen Weihnachtskrippen oft dargestellt wird: als fünfzackiges Gebilde aus Holz mit einem Schweif dahinter. Genau so – nicht wahr? –, ja, nicht anders sieht das Verhängnis aus, das unser schönes Wien, unsere Monarchie und den gesamten Erdkreis bedroht.
    Viele wollen vom Stern über Bethlehem also nichts mehr hören. Sie stopfen sich die Finger in die Ohren und verschließen vor dem Wunder ihre Augen. Wenn es überhaupt eine Stelle aus dem Neuen Testament gibt, die auf unsere Situation passt, so scheint es eher die folgende zu sein: ›Der dritte Engel blies seine Posaune. Da fiel ein großer Stern vom Himmel; er loderte wie eine Fackel und fiel auf ein Drittel der Flüsse und auf die Quellen. Der Name des Sterns ist: Wermut. Ein Drittel des Wassers wurde bitter, und viele Menschen starben, weil es bitter geworden war.‹ (Offenbarung 8,10) Ja, uns steht die Apokalypse ins Haus, liebe Brüder und Schwestern – was geht uns also der Stern über Bethlehem an?
    Ich antworte mit einem persönlichen Credo. Dieses Credo ist gleichzeitig auch eine kurze Geschichte des Universums vom Urknall bis zur Wiederkehr Christi. Also: ich glaube, dass Gott existiert. Ich glaube, dass Er den Kosmos geschaffen hat. Ich glaube, dass Er durch die Evolution – unsere heilige Kirche hat mit der Evolutionstheorie ja nie ein Problem gehabt – den Menschen erschuf. Ich glaube, dass der Mensch während der letzten Eiszeit zu sich selbst gefunden hat, dass er damals zu einem Wesen mit Leib und Seele wurde; Gott brachte damit ein Geschöpf hervor, das mit Wissen und der Fähigkeit zur Liebe, vor allem aber mit Freiheit begabt war. Ich glaube, dasssich danach eine Katastrophe ereignet hat: Der Mensch hat gewählt – und er hat schlecht gewählt, er hat einen falschen Gebrauch von seiner Freiheit gemacht. Seit damals steckt die Menschheit, auf gut Deutsch gesagt, in der Bredouille – wir nennen das: Sündenfall. Gott hat daraus die Konsequenz gezogen. Er hat sich in die

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