Der Kommandant und das Mädchen
Eltern und auch um die namenlosen Fremden, die man im Ghetto erschossen hat. Ich weine um Margot und ihren Vater, um mich, Krysia und Łukasz – einfach um jeden von uns.
Krysia nimmt mich in die Arme. “Na, komm”, murmelt sie und wiegt mich sanft, ganz so wie sie es sonst mit Łukasz macht, wenn er sich das Knie aufgeschrammt hat. Ich lege meinen Kopf an ihre Schulter und lasse mich in ihre Arme sinken.
“Es tut mir leid”, wiederhole ich unter Tränen. Ich merke, wie der Stoff ihres Kleides meine Tränen aufsaugt, aber es ist mir gleichgültig. “Es ist einfach so, dass …”
“Ich weiß”, sagt sie besänftigend. “Ich weiß, ich weiß …” Plötzlich stutzt sie und hört auf, mich zu wiegen.
Durch die Tränen hindurch sehe ich sie an. “Was ist los?”
Sie legt eine Hand auf meinen Bauch, die andere an meine Wange. “Emma, bist du … schwanger?”
Ich weiche zurück und straffe die Schultern, mit dem Ärmel wische ich mir über die Augen. “Schwanger?”, wiederhole ich das Wort, als stamme es aus einer mir fremden Sprache. Plötzlich sehe ich Łukasz’ Mutter vor mir, wie sie tot auf dem Boden liegt, einen leblosen Arm schützend über ihren Bauch gelegt. Schwangerschaft bedeutete Leben, aber in diese düstere Welt darf kein neues Leben gebracht werden. “Nein …”
“Ganz bestimmt nicht?”, hakt sie nach, doch ich schüttele den Kopf. Schwanger werden verheiratete Frauen, die ein normales Leben führen. Frauen, die das Glück haben, sich jeden Abend zu ihrem Ehemann ins Bett zu legen. Margot war schwanger gewesen. “Du bist nämlich in der letzten Zeit nicht so ganz du selbst. Du hast dunkle Ringe unter den Augen, außerdem habe ich gehört, dass du dich morgens übergibst …” Was Krysia dann weiter sagt, bekomme ich nicht mehr mit, da meine Ohren zu summen beginnen. Mir wird bewusst, dass ich über Wochen hinweg versucht habe, diese Sache zu ignorieren. Seit drei Monaten bekomme ich nicht mehr meine Tage. Ich habe mir einzureden versucht, meine Periode sei durch die Belastung völlig aus dem Rhythmus geraten. Aber es gibt noch andere Anzeichen – Übelkeit und Schwindel, dazu ein Bauch, der beständig runder wird, obwohl wir stets nur bescheidene Portionen zu essen haben.
Jetzt, da Krysia es ausspricht, weiß ich, es ist wahr. Ich nicke nur, da ich kein Wort herausbringen kann.
Meine Bestätigung scheint sie nicht zu überraschen. “Wie lange?”
“Vermutet habe ich es erst seit ein paar Tagen”, behaupte ich prompt, da Krysia nicht glauben soll, ich hätte ihr etwas verschwiegen. “Bis jetzt war ich mir nicht einmal sicher.”
“Nein, ich meine, wie lange du schon schwanger bist.”
Ich zucke mit den Schultern. “Ich weiß nicht …”
“Ein Arzt könnte es uns sagen, wenn es noch einen vertrauenswürdigen in der Stadt gäbe”, beklagt sich Krysia. “Wann war deine letzte Periode?”
Ich werde rot, weil ich es nicht gewöhnt bin, über solche Dinge zu reden. “Etwa vor drei Monaten.” Ich sehe, wie sie zurückrechnet und festzustellen versucht, ob der Zeitpunkt mit dem einzigen Besuch meines Mannes zusammenfällt. Ich weiß, es ist nicht der Fall. “Ob es Jakubs Kind ist, weiß ich nicht”, füge ich leise hinzu.
Sie wirft mir einen stechenden Blick zu. “Danach habe ich nicht gefragt.”
“O Gott …” Erst allmählich wird mir bewusst, was das bedeutet. Ich bin schwanger, und der Kommandant ist der Vater des Kindes. Wieder wollen meine Knie nachgeben.
Als Krysia das bemerkt, hilft sie mir zu einem Stuhl. “Atme tief durch”, weist sie mich an und stellt mir ein Glas Wasser hin. “Trink das.”
Ich setze mich und trinke in kleinen Schlucken, da ich immer wieder schluchzen muss. “Es tut mir so leid.”
“Das musst du nicht sagen, es ist nicht deine Schuld.” Krysia geht zum Schrank und holt Besen und Kehrblech heraus. Nicht meine Schuld?, überlege ich, während ich ihr zusehe, wie sie die Bescherung aufräumt, die ich angerichtet habe. Ich komme mir so dumm vor. Ich hätte es besser wissen sollen. Aber woher? Ich weiß so wenig über das Kinderkriegen. Meine Mutter hat mit mir über solche Dinge nicht geredet, auch nicht unmittelbar vor meiner Heirat mit Jakub. Eine Frau versucht nicht, eine Schwangerschaft zu vermeiden – zumindest spricht sie nicht darüber. Es ist ihre Pflicht, so viele Kinder zur Welt zu bringen, wie Gott es von ihr erwartet. Ich habe die Mädchen in meiner Nachbarschaft tuscheln hören, dass es zu bestimmten Zeiten im
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