Der Kommandant und das Mädchen
als würde diese Ausgelassenheit unserer, aber nicht seiner Unterhaltung dienen, und als würde er uns mit seiner Beteiligung einen Gefallen tun. Wenn die Musik verstummt und die Spiele beendet sind, dann nimmt er seine zerlumpte blaue Decke, in der er hergebracht wurde, und zieht sich in eine Ecke zurück.
“Eine Abendgesellschaft?”, wiederhole ich und hebe das Bettlaken von der Erde auf.
“Ja, vor dem Krieg habe ich ziemlich oft solche Gesellschaften gegeben, und von Zeit zu Zeit mache ich das jetzt immer noch. Auch wenn ich nicht mehr so viel Spaß daran habe. Die Gästeliste” – sie verzieht den Mund – “sieht heutzutage etwas anders aus. Aber es ist wichtig, den Schein zu wahren.” Ich nicke verstehend. Vor dem Krieg standen auf dieser Gästeliste Künstler, Intellektuelle und andere wichtige Mitglieder der Gesellschaft. Die meisten Intellektuellen sind inzwischen fort, haben entweder das Land verlassen oder sind wegen ihrer Religion oder politischen Ansichten verhaftet worden. An ihre Stelle sind zweifellos Gäste von einem ganz anderen Schlag gerückt.
Sie wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab und zählt die Gäste an ihren Fingern ab. “Der Stellvertretende Bürgermeister Baran.” Das Wort
Bürgermeister
spricht sie mit unverhohlener Ironie aus. Wladislaw Baran ist ein bekannter Kollaborateur, der so wie fast die gesamte derzeitige Stadtverwaltung von den Deutschen ins Amt berufen worden ist, um als deren Marionette zu fungieren. “Der neue Stellvertretende Stadtdirektor und seine Frau …”
“Nazis”, sage ich verächtlich und wende mich ab. Ich muss mich dem Wunsch widersetzen, auf der Stelle auszuspucken.
“Die Machthaber”, gibt sie mit ruhiger Stimme zurück. “Wir müssen mit ihnen gut stehen.”
“Vermutlich ja.” Mein Magen verkrampft sich bei der Vorstellung, mit diesen Leuten im gleichen Haus zu sein.
“Du bist vor einigen Wochen hergekommen. Es geht nicht, dass meine Nichte bei mir lebt und ich sie den wichtigsten Leuten der Stadt nicht vorstelle.”
“A-aber”, stammele ich. Mir war nicht klar, dass Krysia meine Anwesenheit bei dieser Gesellschaft erwartet. Ich dachte, ich würde mich für die Dauer des Abends im Obergeschoss versteckt halten oder bestenfalls in der Küche helfen.
“Deine Anwesenheit ist unverzichtbar.” An ihrem Tonfall erkenne ich, dass über dieses Thema nicht weiter diskutiert wird.
Kaum hat sie die Abendgesellschaft angesprochen, beginnen auch schon die Vorbereitungen, die den Rest der Woche vollständig für sich beanspruchen. Krysia holt Elżbieta zurück, die Haushälterin mit den roten Wangen, die sie vor meiner Ankunft entlassen hatte. Elżbieta kommt zu uns, ohne einen Groll zu hegen. Vielmehr ist sie energiegeladen und bester Laune, und sofort macht sie sich daran, das Haus von oben bis unten auf Hochglanz zu bringen. Krysia und ich können uns nur schämen, wenn wir sehen, welche Hausarbeit wir mit Mühe und Not zustande gebracht haben.
Es ist offensichtlich, dass Krysia sich freut, Elżbieta wieder im Haus zu haben, und das betrifft nicht nur ihre Fähigkeiten als Köchin und Putzfrau. Elżbietas Freund Miroslaw hat ein besonderes Händchen dafür, Dinge zu organisieren, die es in keinem Geschäft mehr zu kaufen gibt – Delikatessen, die wir für den großen Abend benötigen. Innerhalb von nur zwei Tagen liefert er uns Räucherlachs, feinsten Käse und sogar eine Flasche besonders guten Wodka. “So etwas habe ich vor dem Krieg das letzte Mal gesehen!”, ruft Krysia erfreut aus, als sie die Ausbeute entgegennimmt. Ich hingegen bin einfach nur sprachlos. Um das Mahl abzurunden, plündern wir den Gemüsegarten, ziehen die Salatköpfe heraus, die bereits zu sprießen begonnen haben, und holen aus dem Keller die noch verbliebenen Winterkartoffeln und den Kohl. Zusätzlich kaufen wir unseren Nachbarn das Gemüse ab, das uns noch fehlt.
Am Morgen vor der Gesellschaft hilft Krysia Elżbieta, die Tischdecken zu bügeln und das Silber zu polieren, während ich mich um Brot und Gebäck kümmere. Beim Teigkneten muss ich daran denken, wie ich immer meinem Vater beim Backen geholfen habe. Als Kind empfand ich es jedes Mal als frustrierend, wie widerborstig der Teig war. So sehr ich auch versuchte, ihm eine Form zu geben – ob lang oder rund oder flach –, er widersetzte sich beharrlich all meinen Anstrengungen und kehrte in seine ursprüngliche nichtssagende Form zurück. Nur wenige von meinen missgestalteten Backwerken schafften
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