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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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um es zu verhindern. Und nun iss erst einmal.”
    Ich kam ihrer Aufforderung nach und vergaß völlig meine Manieren, da ich mir Eierkuchen, Apfel und Brot beinahe gleichzeitig in den Mund stopfte und alles mit Tee herunterspülte. Doch so sehr ich das Essen auch genoss, war ich mit den Gedanken bei meinen Eltern, die weiter mit ihren Rationen im Ghetto auskommen mussten.
    “Dein Name”, begann Krysia, nachdem ich aufgegessen hatte, “ist Anna Lipowski. Du bist in Gdańsk aufgewachsen, aber deine Eltern starben in den ersten Kriegstagen. Seitdem lebst du bei mir, deiner Tante Krysia.”
    Erstaunt sah ich sie an. “Ich verstehe nicht …”
    “Du musst dich nach außen hin wie eine Christin geben”, gab sie wie selbstverständlich zurück. “Anders geht es nicht, es ist fast unmöglich geworden, Juden über einen längeren Zeitraum zu verstecken. Du gehst ohne Weiteres für eine Polin durch. Und von deinen früheren Kollegen an der Universität abgesehen, um die du einen großen Bogen machen wirst, gibt es in der Stadt niemanden mehr, der weiß, wer du wirklich bist.” Ihre Worte hallten in meinen Ohren nach. Wie sehr sich Kraków doch verändert hatte, dass ich als Fremde durchging, obwohl diese Stadt mein ganzes Leben lang meine Heimat gewesen war!
    “Hier sind deine Papiere.” Krysia schob mir eine braune Mappe zu, in der sich ein Ausweis und zwei Geburtsurkunden befanden.
    “Łukasz Lipowski”, las ich laut vor. “Ein Dreijähriger?”
    “Ja. Wie ich hörte, möchtest du Jakub gern bei seiner Arbeit helfen?” Sie hielt kurz inne. “Nun, jetzt bekommst du die Gelegenheit dazu. Es gibt da einen Jungen, der seit Monaten im Ghetto versteckt gehalten wird. Er hat keine Eltern mehr. Man wird ihn herbringen, damit er bei uns leben kann. Nach außen hin wird er dein kleiner Bruder sein. Heute Abend kommt er zu uns.”
    Ich nickte bedächtig, während sich meine Gedanken regelrecht überschlugen. Vor nur vierundzwanzig Stunden hatte ich noch mit meinen Eltern im Ghetto gewohnt, und jetzt war ich frei, lebte als Christin bei Krysia und sollte mich um ein Kind kümmern.
    “Da wäre noch etwas.” Sie schob mir einen schmalen Umschlag zu. Ich öffnete ihn, und eine Goldkette mit einem kleinen goldenen Kreuz rutschte heraus. Meine Hand zuckte zurück. “Ich verstehe dich”, sagte Krysia sanft. “Aber es ist eine notwendige Maßnahme, auf die wir nicht verzichten können.” Sie nahm die Halskette, stellte sich hinter mich und legte sie mir um. Damit begann mein Leben als Nicht-Jüdin.
    Nach dem Frühstück nahm mich Krysia mit nach oben in ihr Schlafzimmer. Sie öffnete den Schrank und schob die Kleider auf der Stange zur Seite, sodass eine Treppe zum Vorschein kam, die auf den Speicher führte. Krysia stieg hinauf und reichte mir mehrere metallene Gegenstände sowie eine Matratze für ein Kinderbett an. Wir trugen alles ins Gästezimmer, wo der Junge untergebracht werden sollte.
    “Das gehörte früher Jakub”, erklärte sie, während wir das Kinderbett zusammenbauten. “Später bewahrte ich es für seine Eltern auf, da ich dachte, ich könnte es vielleicht für ein eigenes Kind gebrauchen.” Ihre Augen nahmen einen verlorenen Ausdruck an, und mit einem Mal wusste ich, dass sie nicht aus freien Stücken kinderlos geblieben war. Als das Bettchen fertig war, strich ich über das geschnitzte Holzgitter und stellte mir meinen Mann vor, wie er als kleines Kind darin gelegen hatte.
    Um die Mittagszeit stellte Krysia eine Schüssel Rote-Beete-Suppe und eine Platte mit Wurst, Brot und Käse auf den Tisch. Einen Moment lang zögerte ich, denn das Fleisch war bestimmt nicht koscher. Zudem war es verboten, Fleisch und Käse zusammen zu essen.
    “Oh”, machte sie, als sie den Grund für meine Reaktion erkannte. “Es tut mir sehr leid. Ich hätte versucht, koscheres Fleisch zu bekommen, aber …”
    “Aber es gibt keine koscheren Metzger mehr”, beendete ich den Satz für sie, und sie nickte zustimmend. “Es ist nicht schlimm.” Als ich bei den Baus lebte, war das Essen auch nicht immer vollständig koscher gewesen, und im Ghetto aßen wir, was wir beschaffen konnten. Ich wusste, meine Eltern würden es verstehen und sich freuen, dass ich gutes Essen bekam. Wie auf ein Kommando hin begann mein Magen zu knurren. Krysia sah mich erleichtert an, als ich mich großzügig bei Wurst und Käse bediente.
    “Weißt du, ich habe mich nie um ein Kind kümmern müssen”, gestand Krysia mir später an diesem

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