Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
Vom Netzwerk:
wiedersehen werde. Ich weiß, das wird geschehen. An eine andere Möglichkeit darf ich gar nicht denken. Vor uns liegt das Versprechen einer gemeinsamen Zukunft.
    “Es tut mir leid”, entgegne ich schließlich. “Ich weiß, dir fehlt Marcin auch.”
    “Das ist schon in Ordnung.” Krysias Augen nehmen einen gedankenverlorenen Ausdruck an. “Es sind die kleinen Dinge, die ich vermisse. Die Art, wie er mir ein Glas Wasser brachte, wenn wir spät am Abend nach Hause kamen. Wie er mir am nächsten Morgen einen Tee brachte, ohne dass ich ihn darum bitten musste. Vor allem fehlt er mir, wenn ich mitten in der Nacht aufwache und niemanden habe, mit dem ich über meine Träume reden kann. Ihm hat es nie etwas ausgemacht. Manchmal öffne ich in der Dunkelheit meine Augen und denke, er ist noch da.”
    Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Krysia hat die Augen weit aufgerissen, und ich überlege, ob sie wohl zu weinen beginnt. “Du hast ihn sehr geliebt”, erkläre ich nach einer Weile.
    Lächelnd schaut sie mich an. “Das tue ich immer noch. Es wird nie aufhören. Er ist mein bester Freund.” Minutenlang schweigt sie, und ich merke, dass sie ihren Gedanken nachhängt. “Es war ein langer Tag”, meint sie schließlich. “Du solltest auch zu Bett gehen.”
    “Ja”, sage ich und steige müde die Treppe hinauf. Als ich das Bad betrete, fällt mein Blick in den Spiegel. Die Frau, die mir entgegenblickt, sieht erschöpft und fast ein wenig gramgebeugt aus. Sie hat graue Ringe unter den Augen, ihre Mundwinkel sind nach unten gezogen. “Wer bist du?”, frage ich laut. Sicher nicht Emma Bau, geborene Gerschmann, Tochter eines orthodoxen Bäckers und dessen Ehefrau. Emma war jemand anders. Ich erinnere mich nur noch undeutlich an sie, so wie an eine gute Freundin aus Kindertagen, die man nahezu vergessen hat.
    Warum mag mich der Kommandant überhaupt? Diese Frage stelle ich mir, als ich wenig später die Schlafzimmertür hinter mir schließe und mich auf die Bettkante sinken lasse. Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, absolut gewöhnlich auszusehen, weder hässlich noch ausgesucht schön. Jakub und mein Vater sagten zwar immer, ich sei sehr hübsch, aber das tat ich stets als eine Nettigkeit von Männern ab, die einen lieben. Ich bin auch nicht annähernd so auffällig wie die jungen Sekretärinnen, die jeden Tag geschminkt und in engen Röcken in der Burg zur Arbeit erscheinen, und mit der Frau des Kommandanten könnte ich es erst recht nicht aufnehmen. Vielleicht fühlt er sich zu mir hingezogen, weil ich seine Sprache beherrsche und er Heimweh verspürt. Aber eine solche Erklärung ist doch eher unwahrscheinlich. Er sieht mich auf eine sonderbare Art an, und wenn er mir zuhört, geschieht dies mit einer gewissen Faszination, die mir verrät, dass da mehr sein muss.
    Plötzlich muss ich an Krysia denken. Obwohl wir uns oft unterhalten, redet sie nur selten über sich – bis zum heutigen Abend. Es war, als würde das makellose Bild, das ich von ihr habe, für ein paar Minuten Risse bekommen, durch die ich die Liebe und den Schmerz in ihrem Inneren sehen konnte. Ich muss über das nachdenken, was sie über Marcin gesagt hat. Ihr bester Freund. Ob ich das wohl auch von Jakub behaupten kann? Ich liebe ihn zutiefst, und trotz all meiner Ängste weiß ich, er empfindet genauso für mich. Doch als er fortging, kannten wir uns noch nicht lange. Alles war noch ungewohnt und neu, und es gibt so vieles, was wir bis heute nicht übereinander wissen. Es muss ein Leben dauern, um so zu empfinden wie Krysia und Marcin, sage ich mir erleichtert, als ich das Licht lösche.
    Bis zum Ende der Woche sehe ich den Kommandanten nur selten. Seit seiner Rückkehr aus Berlin muss er eine Besprechung nach der anderen abhalten, während ich mit einer Fülle von Aufgaben eingedeckt werde. Am Freitagnachmittag mache ich einige Stunden früher Feierabend als üblich und beeile mich, nach Hause zu kommen, um mich für den Abend herzurichten. Łukasz sieht uns zu, wie Krysia mein Haar zu einem lockeren Knoten frisiert und mir hilft, Gesichtspuder und Lippenstift aufzulegen. Ich ziehe das dunkelblaue Kleid mit den kurzen Ärmeln an, das mir Krysia herausgelegt hat. “Ganz reizend”, urteilt sie, als ich im Ankleidezimmer vor dem bis zum Boden reichenden Spiegel stehe.
    “Ich danke dir so sehr.” Ich drehe mich ein wenig zur Seite und bin wie gebannt von der Verwandlung, die ich durchgemacht habe. Das letzte Mal, dass ich mich so fein

Weitere Kostenlose Bücher