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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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draußen in Waldingen stieg – um zurück nach Sorbinowo zu fahren und am Nachmittag auf dem Polizeirevier zur Verfügung zu stehen (vielleicht auch noch eine halbstündige Mittagspause mit Deborah einzulegen) – , konnte er feststellen, dass sich zumindest etwas bewegte. Jedenfalls ein ganz klein wenig. Nach Marieke Bergson war noch eine Hand voll Mädchen bereit gewesen, über die letzten Tage im Lager zu reden. Gemeinsam mit den Kolleginnen aus Haaldam, Lauremaa und Tolltse, hatte Kluuge einige Stunden am Morgen damit zugebracht, diese tränengetränkten Bekenntnisse entgegenzunehmen. Aber etwas Konkretes und für die Ermittlungen Entscheidendes war dabei nicht zu Tage getreten. Zumindest nicht soweit er es so auf die Schnelle beurteilen konnte. Die Mädchen hatten den Befehl bekommen – mehr oder weniger ausdrücklich – zu schweigen, worauf sie geschwiegen hatten.
    So einfach war es vermutlich.
    Immer noch gab es eine Gruppe, die an dieser stummen Vorschrift festhielt, und es gab genügend Gründe davon auszugehen, dass es auch genau diese Gruppe war, die die anderen, die jetzt in ihrem Glauben unsicher geworden waren, unter einen gewissen Druck setzten. Außerdem hatte sich ein Trio von Mädchen herauskristallisiert, anscheinend mit Belle Moulder an der Spitze (das war zumindest Lauremaas Vermutung), die vermutlich Clarissa Heerenmacht als Letzte lebend gesehen hatten.
    Wenn man den Mörder nicht mitrechnete, natürlich. Irgendwann gegen fünf, halb sechs am Sonntagabend waren diese Mädchen zusammen mit Clarissa unten an der »Klippe« gewesen, einer flachen, sonnenbeschienenen Felsplatte einige hundert Meter westlich der Kolonie, und hatten dort gebadet. Es war immer noch unklar, wie sich das Quartett aufgeteilt hatte,
aber auf jeden Fall waren sie nicht mehr gemeinsam zur Kolonie zurückgekehrt.
    Clarissa Heerenmacht war überhaupt nicht mehr zurückgekehrt.
    Clarissa Heerenmacht hatte stattdessen ihren Mörder getroffen. Wie auch immer. Wann und wo auch immer.
    Die Angehörigen waren ein weiteres Problem. Kluuge schaltete den Blinker ein und bog auf die Hauptstraße ein. In den gestrigen Abendzeitungen – wie auch im Fernsehen und Rundfunk  – war dem Fall ziemlich viel Aufmerksamkeit geschenkt worden (Kluuge hoffte inständig, dass Malijsen sich wirklich so isoliert hielt, wie er versprochen hatte; das plötzliche Auftauchen des eigentlichen Polizeichefs auf der Bühne würde wohl kaum einen positiven Einfluss auf die Arbeit haben, darin waren sich alle Beteiligten einig, auch wenn es niemand offen aussprach), und die meisten Eltern hatten sofort reagiert.
    Gleich nachdem Kluuge Waldingen an diesem heißen Tag verlassen hatte, waren vier Mädchen von beunruhigten Müttern und Vätern abgeholt worden – natürlich erst, nachdem sie eine gehörige Zeit bei Lauremaa und den Psychologinnen verbracht hatten. Zwei der Mädchen waren übrigens Schwestern, ein Detail, das man vorher gar nicht bemerkt hatte.
    Blieben noch sechs. Drei, die bisher noch nichts ausgesagt hatten, zwei, die offenbar kurz davor waren, zu reden und eine, die ihr Gewissen bereits erleichtert hatte und jetzt darauf wartete, abgeholt zu werden.
    Und dann war da natürlich noch Marieke Bergson. Sie befand sich immer noch auf dem Polizeirevier, betreut von Frau Miller und einer katholischen Schwester. Letztere war ganz von selbst am gestrigen Abend aufgetaucht und hatte ihre Hilfe angeboten (die Psychologinnen hatten zu diesem Zeitpunkt aus berufsethischen und fachlichen Gründen schon lange das Feld geräumt). Sie hieß Vera Saarpe und hatte das Mädchen auch die Nacht über bei sich schlafen lassen.
    Was Mariekes Eltern betraf, so war es erst am heutigen Morgen gelungen, sie zu informieren, und sie wollten nunmehr am
Nachmittag eintreffen, um sich um ihre verstörte Tochter zu kümmern. Kluuge persönlich hatte die Mutter am Telefon gehabt und feststellen können, dass auch hier der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen zu sein schien.
    Er seufzte schwer. Es war wirklich nicht einfach, alles im Griff zu behalten, dachte er.
    Wirklich nicht einfach.
    Dann seufzte er noch schwerer, als er über Katarina Schwartz nachdachte, das Mädchen, das nach allem zu schließen vor zehn, zwölf Tagen aus dem Lager verschwunden war.
    Marieke Bergsons Zeugenaussage, ihr plötzliches Verschwinden betreffend, war von allen anderen, die bis jetzt den Mund aufgemacht hatten, bekräftigt worden, und es schien durchaus angebracht, davon auszugehen, dass

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