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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Lieblingszitaten:
    Das Leben ist nun mal kein Spaziergang über ein offenes Feld.
    Aus dem Russischen wahrscheinlich. Das hatte irgendwie so etwas Tragfähiges.
    Dann zündete er sich eine Zigarette an und versuchte seine Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken.
     
    Zwei Mädchen.
    Zwölf und dreizehn. Geschändet und ermordet.
    Ungefähr eine Woche dazwischen. Zuerst Katarina
Schwartz. Dann Clarissa Heerenmacht. Aber in umgekehrter Reihenfolge gefunden.
    Beide wohnhaft in Stamberg. Beide Teilnehmer am Sommerlager der obskuren Sekte Das Reine Leben in Sorbinowo.
    In der schönen, etwas wilden Sorbinoworegion.
    Und dann dieser Priester.
    Kurz bevor sie die Leiche des jüngeren Mädchens entdecken, löst sich der vermeintliche Gottesmann, der geistige Führer der Gemeinde, Oscar Jellinek, in Luft auf. Andere Beteiligte, das heißt die Sektenmitglieder, versiegeln ihre Lippen. Die jüngere Generation, ein Dutzend pubertierender Mädchen, werden zwar weich mit der Zeit, aber was sie zu berichten haben, hat eigentlich keine besonders große Relevanz für das Mordrätsel an sich.
    Oder doch? dachte Van Veeteren und betrachtete eine der Kühe, die ihm zufällig gerade ihr Hinterteil zuwandte und ihre ausgezeichnet funktionierende Essensverwertung demonstrierte.
    Dann hat sie wahrscheinlich auch keine Birne in Cognac zu Mittag gegessen, nahm der Hauptkommissar an und fuhr in seiner Gedankenkette fort.
    Hatte man etwas Wesentliches in den tränengetränkten Berichten der Mädchen nicht beachtet? Gab es in all diesen Bekundungen von Reinheit, Entsagung und Nacktheit noch etwas, etwas tiefer Verborgenes? Mehr als diese zweifelhaften Aussagen an und für sich?
    Er wusste es nicht. Die Bilder der stilisierten Badeszenen der Mädchen am Seeufer aus den ersten Tagen kamen ihm wieder in den Sinn, und er überlegte, ob nicht vielleicht genauso ein Bild auch der Mörder in seinem Gepäck trug.
    Als Grund für sein Motiv. Wenn man in so einem Fall überhaupt von einem Motiv reden konnte. Konnte sein, konnte nicht sein, auf jeden Fall war es kaum etwas, auf dem man weiter seine Theorien aufbauen konnte.
    Und die Frauen? Diese bewachten Priesterinnen, die wahrscheinlich eine ganze Menge zu erzählen hatten, sich aber für
den schmalen Weg des Schweigens entschieden hatten. Konnte nicht eine von ihnen der Täter sein? Das war auf jeden Fall eine Alternative, die er schon von Anfang an als Reserve im Hinterkopf gehabt hatte. Auf jeden Fall. Eine Karte im Ärmel. Eine Täterin?
    Aber nichts deutete darauf hin, dass sie im Laufe der Zeit spielbarer geworden war. Andererseits sprach auch nichts dagegen.
    Konnte man zumindest davon ausgehen, dass es möglicherweise eine von ihnen gewesen war, die die Polizei angerufen und ihr den entscheidenden Tipp gegeben hatte?
    Konnte schon sein.
    Auf jeden Fall lag ihre Mitschuld offen zu Tage.
    Höchstwahrscheinlich, beschloss er.
    Die Frage war nur, woran. Mitschuldig woran?
    »Verdammte Scheiße«, brummte Hauptkommissar Van Veeteren. »Ich komme einfach nicht weiter.«
    Und während eines verbissenen Augenblicks der Selbstkritik erkannte er, dass die Kühe auf der anderen Seite des Flusses wahrscheinlich nicht nur ein Sinnbild für die unerreichbare Weisheit waren – Weltenschöpfer oder so ähnlich –, sondern auch ein Spiegelbild seiner eigenen fortwährenden Müdigkeit.
    Er zündete sich eine Zigarette an und wechselte die Gedankenrichtung.
    Und Figuera? dachte er.
    Ewa Figuera? Nun ja, er musste zumindest nach ihr suchen und herausbekommen, warum sie zusammen mit den anderen Priesterinnen auf Przebudas Foto war. Was sie im letzten Sommer draußen in Waldingen getrieben hatte.
    Nachdem er nun endlich das Buchstabenproblem gelöst hatte.
    Und nachdem er endlich seiner berühmten Intuition gefolgt und nach Stamberg gefahren war. Aber bis jetzt hatten sich seine Anstrengungen noch nicht so recht ausgezahlt.
    Oder war in den Gesprächen der letzten Tage doch irgendwo ein goldenes Korn verborgen? Hatten diese verwirrten Gemeindemitglieder
doch etwas beizutragen gehabt, was er nicht hatte entdecken können?
    Verdammte Scheiße, dachte Van Veeteren von neuem. Was für ein analytischer Mensch man doch ist! Zuerst sage ich A, dann sage ich Nicht-A. Und so geht es hin und her.
    Er seufzte. Aber auf mehr als diese Dialektik sowie den dunklen Fluss, der ihn von den Kühen trennte, konnte er im Augenblick nicht kommen.
    Ergo? dachte er bitter. Konnte es denn überhaupt deutlichere Zeichen dafür geben, dass

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