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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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an der dran ist.
    Du scheinst es ja nicht besonders eilig zu haben. Etwas Wichtiges scheinst du nicht vorzuhaben. Auf deine Verwandten scheinst du nicht besonders versessen zu sein. Still, du brauchst nichts dazwischenzureden.
    Ich sage dir offen, einen Knecht kann ich nicht einstellen. Das kann ich nie und nimmer, ich hab’s nicht. Da hab ich mir überlegt: Wenn du’s mitmachen willst, gegen Kost und Schlafstelle. Wenn du dafür bleiben willst.«
    Johann erwiderte: »Dafür will ich bleiben.«

Drittes Kapitel
I
    Über der Bank, über den Köpfen der Kinder schlug der Regen gegen das einzige Fenster. Bastian beendete in den Dampf der Kartoffeln hinein den ersten Satz, drohend: » – gib uns heute.« Johann war der einzige, der sich heimlich über den Regen freute. Gestern und heute hatte er den Beginn des Schnitts verschoben, damit auch sein Weggehen. Gestern abend hatte es sich aufgelichtet, heute morgen war die Luft wieder fusselig und die Sonne rostig. Wie im April kamen von Zeit zu Zeit harte Regenfälle, die das reife Korn zu schlagen schienen, mit gezielten Stößen unterhalb der Ähren. Die Kinder sahen Bastian nicht ins Gesicht, weil es schlecht war, einen Vater anzusehen, der dicht am Unglück war.
    Bastian sagte: »Ich weiß nich, was noch alles in den Winter rein soll.«
    Die Frau erwiderte ruhig, nur in den Brauen ein kleines Zucken von Ungeduld: »Wart doch ab.«
    Dora sah schnell ihre Mutter an. Die fütterte das Kind auf ihrem Knie, das inzwischen ebenso still geworden war wie Bastians übrige Kinder. Dora senkte den Kopf. Hinter ihrer Stirn entstand der kommende Winter mit allen seinen Schrecken. In ihre aufgesprungenen Hände schnitten die scharfen, eiskalten Henkel der Milcheimer. In vorjährigen Schuhen quollen ihre Füße im nassen Schnee. Statt von dichtem Brot war ihr Bauch voll von einer dünnen Mehlbrühe. Hungermüdigkeit machte ihre Ohren summen und verwischte die Gesichter der Eltern. Vor kurzem hatte der Vater davon gesprochen, sie zu fremdenLeuten zu geben für Dienstgeld. Dora kannte eine Elli, wenig älter als sie, die stand nachmittags bei Merzens hinter dem Zaun, zwei Schüsseln vor sich auf einer Bank, und wusch Strumpfwäsche. So würde sie auch bei Fremden hinter dem Zaun stehen, mitten im Dorf eine Fremde. Ihre Finger spielten unruhig mit einer Brotflocke. Bastian sah es und schlug scharf zu. Dora zog die Hand unter den Tisch. Johann faßte schnell ihre Hand. Sie sah ihn ungeheuer erstaunt an. Bastian geriet in Unruhe. Er sagte: »Du wirst das neue Brot ja nicht mit uns essen, du nicht. Übrigens, da fällt mir etwas ein – du wirst nun ja jedenfalls deine Zeit hierbleiben. Einmal wird man ja an den Roggen gehen. Du bist ja nun deshalb da. Da wirst du dich jetzt anmelden müssen.« Johann verbarg seine Bestürzung. Er sagte: »Wo denn?«
    »Wo? Auf dem Amt. Das Amt, das ist der Bauer Merz.«
    Johann sagte: »Gut, ich werde nach dem Essen hingehen.«
    Bastian sagte: »Du kannst dem Merz einen Gruß bestellen. Du mußt dich aber nicht nach uns ausfragen lassen. Du mußt dir nicht die Zung ziehen lassen, was bei uns geredet wird und was bei uns auf den Tisch kommt und solche Sachen.«
II
    Als Johann später die Gasse hinunterging, drehten hinter ihm die Leute ihre Köpfe aus den Fenstern in die Stuben zurück. »Dem Bastian seiner.« – »Bleibt der?« – »Bleibt und hilft, schafft wie ’n Feind, umsonst.« – »Warum?«
    In der vollkommenen Abgeschlossenheit der abendlichen Dorfgasse gab es nur zwei Dinge, die von außen kamen, er selbst und der Regen. Er wich einer ältlichen Frau aus mit einem Tragbalken, an dem zwei Eimer hingen. Sie keuchte übertrieben, indem sie zu jedem Schritt ihren Atem herauspuffte. Sie war auffallend schmutzig.Ein paar Kinder trampelten um sie herum die Pfützen, hoho. Sie verzog ihr verspritztes Gesicht. Das war Neugebauers hexische Frau, die schmierige, verschriene. Gegen den Platz zu stieg die Gasse unmerklich an. Man konnte sie von hier aus in die Landstraße einmünden sehen. Wie einfach war das, weiterzugehen: Ein Weg über die Erde zwischen Feldern. Auf einmal hatte Johann Heimweh nach der Stadt. Er schloß die Augen. Dahinter brach die Stadtnacht an in allen Farben. Der Lärm rauschte. Er stieß mit der Schulter ins Gedränge. Ob die nach mir fragen, wo steckt er jetzt? Fünfzehn Mark für mich gesammelt, daß ich loskonnte. Ob sie schreiben? Inzwischen ist viel passiert.
    Mitten im Regen hinter einem Zaun stand ein Mädchen mit einer

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