Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932
Waschschüssel und starrte ihn an. Wenn ich wegbleibe? Vielleicht schicken die Bastians den Landjäger hinter mir. Ich weiß das nicht genau. Ich kenne sie nicht durch und durch. Er suchte sich den Eingang von Merzens Haus. Merzens Haus stand der Wirtschaft gegenüber auf dem Platz. Der Eingang lag auf dem Feldweg, der vom Wald herunterkam. Die Tür hatte einen Messinggriff. Die drei Stufen waren regelmäßig behauen. Die Fenster waren blank. Johann klopfte das Herz. Ich kann jetzt nichts anderes tun. Er wird mich nicht fragen, es wird ihm nichts auffallen. Er wird nicht nach der Heimatbehörde schreiben. Darauf kommt er nicht. Jetzt bleib ich schon. Wo soll ich auch hin in diesem Land? Ich kann mich nicht gut zu Luft machen. Er wartete, bis sein Herz ausgeklopft hatte, dann machte er auf. Ein Geruch von gebratenem Speck schlug aus der Türspalte und wickelte ihn ein, bevor er in dem engen, zur Küche offenen Flur stand. Noch saßen alle Merzens beim Abendessen. Eine ältere, dürre Magd, die Nachfolgerin der vertriebenen, kam sofort heraus, dann kam der junge Merz, bartlos, von mürrischem Aussehen. Johann schob seine Mürrischkeit auf die Liebessachen, die er auch schon wußte.Aber der junge Merz hatte das längst vergessen. Er war nur wegen des Regens mürrisch. Er schüttelte den Kopf und rief seinen Vater. Der Alte hatte Brotkrumen in seinem schweren Bart. Er sagte sofort: »Aha, Ihr seid dem Bastian seiner.« Johann trat beklommen ein. Die Wohnstube war vollgepfropft, unbenützt. Der alte Merz brauchte eine Zeitlang, um sein eigenes Pult aufzukriegen. Johann legte seine Papiere zwischen ein paar Vasen mit Stoffblumen. Der alte Merz holte aus der Schublade Tinte und Feder, Anmeldescheine und einen Stempel. Während Johann ausfüllte, betrachtete er ihn genau, jeden Flicken. Er sagte: »Sie sind ein Verwandter von dem Andreas Bastian? Was?«
Johann erwiderte: »Ich will denen ein bißchen zur Hand gehen.«
Der alte Merz dachte: Der Bastian stellt sich dumm und is ’n Schlauer. Kriegt ’n Knecht ohne Draufgeld.
Er sagte: »Na, gut.« Er hielt den Bogen weit ab und las. Johann betrachtete den alten Merz mit angehaltenem Atem. Der fragte nichts und verglich nichts, sondern stempelte. Dann legte er alles in die Schublade. Johann unterdrückte sein Aufatmen. Der alte Merz ging in die Küche zurück, um alles seiner Frau zu erzählen. Johann ging weg.
Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen. Ein warmer Dampf kam aus der Erde. Vor der Tür standen ein paar junge Leute, zwei fremde Burschen, der Sohn des Merz, seine Schwester, ein großes, dunkeläugiges Mädchen und eine kleine Breite. Die Kleine reckte sich auf die Fußspitzen, um der Großen das Tuch im Nacken zu knüpfen. Alle lachten, alle sahen ihn an. Die Mädchen zogen ihr Lachen in die Länge. Johann ging die Gasse hinunter, dampfender, aufgelichteter Abend. Das war fast noch schlimmer. Ich möchte mal lachen und ’n Mädel und ’n Boot, ritsch ins Schilf rein. Ich möchte mal den ganzen Druck weg haben ’ne Minute und bloß so dastehen wiedie da, in ’nem runden Abend drin und ’ne richtige Nacht vor mir, mit ’nem richtigen Bett. Na, laß mal. Laß mal, Johann, laß gut. Schluß mit dem Gejaule. Du wirst auch hier deine Leute finden, genau so gute. Du mußt nämlich.
Es war ihm auf einmal leichter. Er fing neu an. Er fuhr mit der Hand im Vorbeigehen über den Zaun, dem kleinen strumpfwaschenden Mädchen übers Haar. Die fuhr bestürzt zusammen. Er ging schnell heim.
Bastian stand vor der Tür, den Kopf im Nacken, und beschnüffelte den Himmel. Auf seinem kleinen, alten Gesicht lag ein Schimmer von Hoffnung.
III
Eine knappe Woche später, Samstag abend, saß der Bauer Jakob Schüchlin, der Schwiegersohn des tauben Schulz, seiner Frau Susann gegenüber beim Abendessen. Sie hatten zwei Schüsseln vor sich, eine voll Sauermilch, eine voll Kartoffeln. Schüchlin schimpfte fortwährend, weil die Milch nicht abgerahmt und die Kartoffeln nicht gar waren. Die Frau erwiderte nichts. Auf ihrem Teller lagen drei Kartoffeln. Ihre langen Hände lagen unbewegt neben dem Teller, wie aufgenagelt. Sie konnte nicht ganz dicht vor dem Tisch sitzen, weil ihr Leib schon sehr hoch war.
Die drei kleinen Söhne rollten im Zimmer durcheinander, zerdrückte Kartoffeln in den Fäusten. Der Fliegenfänger an der Lampe war schwarz von Fliegen. Fliegen strichen die klebrigen Backen der Kinder, die Schüsseln auf dem Tisch, die Milchtöpfe auf dem Schrank, die unbewegten,
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