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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Vertrag, der den kaum zu erwartenden rechtmäßigen Söhnen der kranken Frau das Erbe sicherte und dem Schüchlin die Nutznießung. Die Frau war bestimmt keine langlebige. Aber Schüchlin war stark genug gewesen, auch aus dieser elenden Frau einige schwere Söhne in die Welt zu setzen. Alle wußten, daß Schüchlin die Susann schindete, tags bei der Arbeit, nachts im Bett. Es war nicht jedermanns Sache, in einer solchen Ehe zu stecken. Keiner hätte am Tage des Jüngsten Gerichts in Schüchlins Haut stecken wollen, aber die ganze Frist zwischen dem nahen Beerdigungstag der Frau und der Auferstehung wollte jeder gern mit ihm tauschen.
    So trug Schüchlin wie zwei übereinandergestülpte Hüte einen doppelten Ruf: er war ein Satan und ein Schinder, er war ein ordnungsliebender, geschickter Bauer von großem Fleiß und tadelloser Gesundheit.
    Der Wirt fragte: »Was gefällig?« Schüchlin packte seinenSchwiegervater beim Kopf und schrie ihm ins Ohr: »’n Helles oder ’n Dunkles?« Der Alte bewegte sein fransiges Kinn und sagte böse: »’n Helles.«
    Der Wirt stellte zwei helle Bier auf den Sofatisch. Einer der Auswärtigen tippte Schüchlin an und sagte: »Euer Wirt wird immer dicker. Den trifft mal bald der Schlag. Mittags, wenn’s am heißesten ist.«
    Der alte Schulze ärgerte sich, weil er nichts verstand, und zerrte Schüchlin am Rock. Der packte seinen Kopf und rief ihm ins Ohr: »Er meint, so Dicke machen’s nicht lang.«
    Der Wirt, mit dem Gesicht zum Glasaufsatz der Kommode, in dem er Flaschen ordnete, hörte das und erschrak. Bis zu diesem Augenblick hatte er nie an den Tod gedacht. Nun hatten ihm seine Gäste diesen Gedanken angehängt, der ihn nie mehr verlassen wird und den übrigen Teil seines Lebens vergiften.
    Am Mitteltisch steckten die Jungens die Köpfe zusammen. »Wir waren bloß, um ihn verbinden zu lassen, am Vincenz-Hospital vorbeigefahren. Beim Abladen war er ’n bißchen blaß geworden.«
    Großmann rief: »Das habt ihr nun davon!«
    Da wurde der Fahrer wild. »Ihr, ihr? Was haben wir davon? Für wen läßt sich unser Lamprecht anstechen? Zum Vergnügen fahren wir, zum Vergnügen läßt er sich anstechen! Ihr, ihr, ihr! Laßt euch den Herrgott vom Kreuz wegtragen. Sagt, das habt ihr nun davon.«
    Einer legte den Arm um den Fahrer. Die Bauern betrachteten sie mit zugekniffenen Augen. Die waren doch ein fester, geschlossener Hauf in diesem Zimmer voll halber Drohungen, geheimer Ängste, Anspielungen und Geflüster. Pauls Herz krümmte sich unter dem Tisch und zerrte hinüber. Gottlieb Kunkel, der mit ihm in die Schule gegangen war, erwischte den Blick und erwiderte ihn kalt. Ein Gefühl von Scham würgte seinen Hals in dem engen Sonntagskragen. Konrad Bastian sagte: »Na,ihr seid ja noch allesamt jung. Ihr könnt euch gut und gern noch allerlei vornehmen.«
    Da rief der Brauereifahrer: »Ich bin gar nich mal so jung, ich hab meine drei Kinder. Vorigen Monat bin ich meine dreiundvierzig geworden. Ich hab genug jetz. Meine Kinder, die sollen mal nich den Teller vor der Nase weggezogen kriegen. Die sollen ihre Ordnung haben.« Alle Bauern waren mucksstill und sahen den Fahrer an. Der fuhr wütend fort: »Ihr, na, ihr braucht euch nichts vorzunehmen. Ihr habt euer Auskommen, ihr habt keine Schulden, ihr habt keine Steuern, ihr habt auch keinen Viehjud, keinen, der von eurem Stall bis zum Markt verschluckt, was ihr schlucken wollt. Bei euch kann alles bleiben, wie es is. So, jetz muß ich fort.« Er stand auf, alle Jungens standen auf und drängten ihm nach. Die Bauern saßen wie nach einem Regenschutt. Paul starrte ihnen verzweifelt nach. Die hatten kein dösiges Zimmer vor sich, kein Gejaule, die hatten Fahrt vor sich und offene Nacht.
    Der alte Merz, der den ganzen Abend über unbewegt gesessen hatte, als sei sein Bart aus Blei, rief plötzlich dem Fahrer nach: »Macht’s gut!« Er beobachtete alle, besonders den Kunkel, scharf, bis zuletzt. Erst als man durch die offene Tür den Motor hörte, kam er zu einem Entschluß. Vielleicht schadete es ihm nicht mal was, was diese Jungens vorhatten. Aber keinesfalls sollte sein eigener Sohn jemals mitfahren und in Messerstechereien, Aufruhr und Kundgebungen verwickelt werden.
    Konrad Bastian war noch zu keinem Entschluß gekommen. Er beschloß, es auf alle Fälle so zu halten, wie es Merz hielt.
VI
    Kurz danach ging Algeier auch heim. Er hatte schon vorher gewußt, daß es im Wirtshaus auch schlecht war, aber man mußte manchmal zwischen zwei

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