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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die die alte Innenstadt umgab. Er packte erschrocken seinen Hut mit beiden Händen; denn jetzt war er nur noch fünf Minuten vom Marktplatz entfernt, an dem das Geschäft von Kastrizius lag. Er erblickte die eisernen Ringe, die in das Mauerwerk geschlagen waren. Sie hatten ihn schon erstaunt, als er zum erstenmal an der Hand seines Vaters durch dieses Tor gegangen war, der in die Stadt zum Anwalt ging, um das Testament seines Bruders anzufechten. Dieser Prozeß war übrigens schlecht ausgegangen, er hatte mit all seinen Verästelungen Algeiers Jugend bis ins vierzehnte Jahr beschattet. Genau wie damals mit seiner kleinen Hand, so schnickte er jetzt mit seiner großen, harten den Eisenring und ließ ihn auf dem Stein klirren. Heute wie damals ärgerte er sich über den lockeren Rost, der an seinen Fingern hängenblieb. Wie viele Städte er im Krieg gesehen hatte, nur diese war für ihn der Inbegriff aller Städte. Der Kirchturm über den Dächern, den er in dem hellen Ausschnitt des inneren Torbogens erblickte, kein anderer in der Welt war der Wohnsitz Gottes.
    Als er aus dem dumpfen Tor auf den Marktplatz herauskam, mußte er den Hut loslassen und die Brust umsein Herz zusammendrücken. Obwohl kein Markttag war, war der Platz ungewöhnlich voll. Er erkannte mit weitsichtigen Augen das Firmenschild Kastrizius über den Köpfen der Menschen. Er verstand, daß es für ihn ein böser Abrutsch war, wenn er sein Eigentum nicht zurückbekam. Niemals war der Platz an einem gewöhnlichen Wochentag so schwarz und unruhig gewesen. Aber Algeier wunderte sich gar nicht, denn auch er war unruhig. Es war richtig, daß alles Leben aus den Gassen auf dem Platz zusammenströmte, nach seinem eigenen verstörten Herzen. Die Menschen standen in vier oder fünf dichten Klumpen. Arbeiter aus der Schuhwichsfabrik, Frauen und Mädchen von Gold & Sohn, einzelne schwarzröckige Kaufleute, Handwerker, ein Bündel Blechröhren unter den Arm geklemmt oder ein Paar Reitstiefel. Ein kleiner Lehrling hatte sich einfach auf einen frischgeflochtenen Stuhl gesetzt, den er abliefern sollte. Wenn er auch den Mittelpunkt seiner Gruppe nicht sah, so hörte er doch die hartnäckige, sich vor Wut überschlagende Stimme. In dem freien Raum zwischen den Gruppen pickten Tauben den Kot, der vom gestrigen Viehmarkt noch nicht weggekehrt war. Zwei dicke Haufen von Menschen standen mit dem Rücken zum Platz, vor den Plakaten, die am roten Stadthaus angeschlagen waren. Zettelverteiler liefen herum und stopften Algeier Flugblätter in die freie Hand und in die Rocktasche. Algeier machte dasselbe wie seine Tochter Marie vor drei Sonntagen. Nur um seinen Gang zu verzögern, faltete er sie zusammen und steckte sie ungelesen ein. Nach zwei Spiralen um die Menschenhaufen kam er auf die dem Stadthaus gegenüberliegende Seite vor die Geschäftshäuser. Zu seinem Erstaunen waren die meisten Geschäfte geschlossen. Die Milchhandlung Straub war offen. Lüdeke von der Milchsammelstelle stand in der Tür mit verschränkten Armen. Er rief ihm etwas zu. Kastrizius war auch noch offen, jedoch bemühten sich ein Mädchen in weißer Schürze und ein Lehrling, dieeisernen Läden herunterzulassen. Der Verkäufer stand in der Tür, sein Gesicht war rot und ängstlich. Algeier trat auf den Verkäufer zu. Der streckte die Arme weg. »Schluß, wir machen zu.« Algeier sagte: »Ich muß noch rein, ich bin extra gekommen, das ist schnell gemacht.« Der Verkäufer sagte: »Schluß, Schluß.« Sein Blick über Algeiers Schulter wurde starr. Algeier drehte sich um. Auf einmal standen ein Dutzend Burschen hinter ihm und schrien: »Als rein! Als rein!« Algeier blickte erschrocken hin und her, zwischen dem Verkäufer und diesen ihm fremden Burschen, die merkwürdigerweise »Rein! Rein!« riefen und aufstampften. Auf einmal sprang der Verkäufer neben den ungeschickten Lehrling und drehte die eiserne Kurbel an. Algeier trat rasch durch die Tür.
    Der Verkäufer kam hinter ihm her und schloß ab. Er versuchte Algeier nach der Hintertür zu drängen, durch den Hof auf die Straße. »Herr Algeier, jetz is Schluß bei uns. Ein andres Mal, Herr Algeier.« Draußen schnurrten die Läden herunter. Es wurde plötzlich dunkel. Der Verkäufer knipste Licht an. Algeier zog schnell seinen Hut ab und setzte ihn seines Kahlkopfes wegen schnell wieder auf. Er sah sich um, über die im künstlichen Licht glänzenden Metallteile und gewachsten Hölzer von Eimern, Bottichen, Zentrifugen, elektrischen Schälern. Er

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