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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatten. Ja, es gab auch viele, die sich ebenso entschlossen hatten wie der wilde Rendel, wie seine Frau und wie der tote Ibst.
    Plötzlich sprang ein Bote aus Botzenbach herein, stürzte ein Glas Bier hinunter und berichtete hastig, was es in Botzenbach gegeben hatte. Dort waren noch mehr Nazis gewählt worden und nur acht Deutschnationale, aber zehn Sozis, lauter Beurener Erwerbslose, und vier Kommunisten. Früher hatte nur Ibst, der inzwischen langsam im Spital gestorben war, kommunistisch gewählt. Diesmal hatten seine Frau, sein Schwiegervater und seine beiden Schwäger für ihn gewählt. »Es wird ihnen dafür besorgt werden.« Der Bote war der kleine, struppige SA-Bauer, der Frau Rendel vorige Woche in die Augen gestoßen hatte. Er rannte schnell zu Kunkels, von wo das Auto sie alle zum Appell nach Botzenbach bringen sollte.
    Abends in ihren Stuben hatten alle Bauern die gleichen Wünsche, Zweifel und Hoffnungen. Alle hatten Reue, wie sie es nach einem Geschäft hatten, das sie nicht mehr rückgängig machen konnten. Alle wunderten sich, wodurch dieser Sonntag eine Änderung bringen sollte, nachdem alle Arbeit, alle verrückte Anstrengung, alle verzweifelten Versündigungen das ganze Jahr über nichts genützt hatten. Alle glaubten schließlich, daß man sie wieder einmal zu einem nutzlosen Gang überredet hatte, der von ihren Schulden kein Pünktchen wegnahm.

Achtes Kapitel
I
    Andreas Bastian wollte sich grade für die Hochzeit seiner Brudertochter den Bart schneiden, als es klopfte und zu seiner Überraschung Jakob Schüchlin hereinkam. Schüchlin war sein Nachbar zur Linken, aber Bastian hatte sich grade deshalb von ihm besonders ferngehalten. Schüchlin konnte wegen des Trauerjahres nicht auf die Hochzeit gehen. Sonst wäre nämlich kein Grund mehr gewesen, ihn nicht unter den Gästen zu haben. Er sah seit der Beerdigung der Frau ganz verändert aus. Er war ordentlich gekleidet und rasiert, sogar seine haarigen, nach vorn gerichteten Nasenlöcher schienen zusammengeschrumpft. Jetzt waren Schüchlins Kinder immer sauber. Er schnitzelte und strich an seinem Haus herum, das einen aufgeräumten Eindruck machte. Bastian war zwar erstaunt und sogar erschrocken, was Schüchlin bei ihm wollte, aber er hatte auch keinen Widerwillen mehr vor ihm und bot ihm einen Stuhl an. Schüchlin, in seinem reinen Hemd, seinen Hut auf den Knien, fing sofort an. »Ich bin dran, mein Haus aufzufrischen. Aber halt – Euer Seifenwasser wird kalt.« – »Macht nichts, macht nichts.« – »Wir haben da nur einen schmalen Hof.« – »Ja«, sagte Bastian erstaunt, »umgekehrt wie bei uns, breiter Hof, schmales Haus.« Schüchlin sagte, er sei imstand, sich das etwas kosten zu lassen. Bastian fragte, was kosten zu lassen? Schüchlin sagte, er würde auch auf seine Kosten die Mauer versetzen lassen. Er würde auch Bastians Hühnerstall, der rechtwinklig zum Haus stand, auf seine Kosten an das Haus anbauen lassen. Bastian sagte: »Was denn, was denn, was denn?«
    In diesem Augenblick kam Johann herein. Er blieb in der Tür stehen und sah bald auf Schüchlins roten, gerieften Nacken, bald auf Bastians bestürztes Gesicht. Schüchlin sagte: »Das wär für Euch eine Hauptsorge erspart, Die Abzahlung ging dann auch an mich.« Johann verstand bei dem einen Satz alles, was gemeint war, aber Bastian verstand gar nichts. Er sagte immer nur: »Was denn, was denn?« Schüchlin sagte: »Ihr seid doch recht in der Klemme.« Bastian sagte: »Ich? Ich?« Zum erstenmal fühlte nun Schüchlin, was das war, einen Mann vor sich auf einem Stuhl zu haben, einen Mann, der sich wand und drehte, und dabei selbst ruhig auf seinem eigenen Stuhl zu sitzen. Er fügte hinzu: »Aber das ist doch kein Geheimnis. Aber das soll Euch doch nicht kränken, Nachbar.« Bastian sagte: »Wer hat’s aufgebracht?«
    »Das hat mir Euer Bruder, der Konrad, selbst gesagt, daß Ihr in den Raten hängt.« Schüchlin stand auf und sagte: »Die Mauer würde also so gehen –« Bastian sah aus, als läge schon der Schatten der neuen Mauer diesseits der Pumpe auf seinem Gesicht und mache es alt und grau. Es fiel ihm dabei ein, wie das Summen der Bohrschraube sein Herz erregt hatte mit Vorstellungen von spätem Aufschwung und Unternehmungen, die freilich auch schon mit Angst und böser Vorahnung gemischt waren. Sie hatten drei Tage lang das Zimmer voll Erdstaub gehabt, den seine Frau beständig von Tisch und Stühlen und Dielen kehrte. Johann dachte, alles in allem könnte Bastian

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