Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
noch von Glück sagen bei dieser Lösung. Kastrizius hatte an Mahnbriefen nicht gespart, er hatte keinen Grund, mit der Pfändung zurückzuhalten. Johann betrachtete Schüchlins runden, gebürsteten Kopf. Schüchlin drehte sich um und erblickte Johann. Sie gaben sich die Hand. Johanns trockener Blick brachte Schüchlin etwas in Verwirrung. Es war überhaupt etwas in Johanns Aussehen, was Schüchlin in Unruhe brachte. Seine Nasenlöcher weiteten sich. Aber ehe er noch zu einem Gedanken gekommen war, ertöntedrunten aus dem Dorf eine überraschende, kräftig einsetzende Musik aus Pfeifen, Zieh- und Mundharmonika, die gleich darauf von einem Durcheinander von Lachen und Singen übertönt wurde. Unwillkürlich liefen alle drei, Schüchlin, Johann und Bastian, ins Freie. Drunten beim Platz, vor Konrad Bastians Haus, hielt der Wagen, der bestimmt war, Sophie Bastians Brautgut in Merzens Haus zu überführen. Pferde waren davorgespannt, ein Trupp Musikanten in einer zufälligen Schar junger Leute spielte flott, während man immer neue Stücke auflud, die, je nachdem sie für die Nacht oder für den Tag dienen sollten, mit Ah und Oh begrüßt wurden. Die Üppigkeit des Brautgutes, die Musik, vor allem aber der in der Dorfgasse ungewohnte Anblick der beiden Pferde – Merzens Felder lagen ja gegen Süden nach Billingen zu – machten auf Schüchlin und auf Bastian einen so gewaltigen Eindruck, daß sie alles andere vergaßen und sich in einem fort wie gute Nachbarn lächelnd anstießen.
II
    Als Johann später in die Stadt ging, wohin ihn Bastian eilig schickte, traf er auf der Gasse lauter Menschen, die mit der Hochzeit zu tun hatten. Zwei Mädchen liefen aus dem Schulhaus mit einem großen, bunten Pappdeckel. Eine Magd brachte aus Konrad Bastians Haus ein Blech mit Schneckennudeln. Ein kleiner Junge blies auf einer Mundharmonika die gleiche Melodie, die eben gespielt worden war. Die drei oder vier unbeteiligten Gesichter hinter den Zäunen sahen gekränkt und betrübt aus. Aus vielen Häusern wehten Fahnen. Sie waren seit dem Wahltag hängengeblieben, nicht auf ausdrückliche Anweisung, sondern weil Merzens und Bastians ihre hängenließen. So waren die Wahlfahnen im Laufe der Woche zu Hochzeitsfahnen geworden. Als Johann aus dem Dorfherauskam, standen auf der Landstraße bei der Schafswiese zwei grüne Wägelchen. Ihre Besitzer montierten ein Karussell und eine Bude auf. Gewöhnlich nahmen die Kirmeswagen nach der Ernte ihren Weg von Beuren aus. Der alte Merz hatte es diesmal fertiggekriegt, sie zuerst hierher zu bringen. Er wollte Zerstreuung für seine Gäste, die nach dem Heimatbrauch seiner Frau auf drei Tage geladen waren.
    Johann hätte sich gern dazugestellt, aber er wollte so bald wie möglich in die Stadt. Zuerst mußte er bei Kastrizius vorsprechen. Bastian selbst kam freilich der Entschluß, den er fassen sollte, noch unannehmbar vor, aber Johann wußte, daß Kastrizius schon mit dieser Lösung rechnen konnte. Dann wollte er eine Stunde in Wolfs Werkstatt zubringen. Nach ihrem schroffen, kurzen Streit hatten sie sich nicht in einer Aussprache versöhnt, sondern in Arbeit. Sie wollten heute zwei Flugblätter aufsetzen.
    Johann kam an den Flußweg, auf dem er mit Marie ins Schilf gegangen war. Seit ihrem letzten Stadtgang war Marie verschwunden, vielleicht versteckte sie vor ihm ihr verweintes Gesicht. Er hatte gemerkt, wie sie später auf dem Rückweg im Dunkeln weinte. Sie war dann von selbst still geworden, wie sie aus dem Wald ins Helle kamen. Er hatte nicht gewagt, sie verkehrt zu trösten. Er hätte sich geschämt zu sagen: »Ich werde zurückkommen.« Jetzt erblickte er aus dem Wald heraus auf der hellen Straße jemand, den er vom Rücken kannte. Er rief laut: »Kößlin!« Kößlin erkannte ihn an der Stimme und blieb sofort stehen. Kößlin erzählte, daß er mit Breideis sprechen wollte und dann aufs Amt gehen wegen seiner Arbeitspapiere. Johann erzählte, warum er zu Kastrizius mußte. »Dein Bastian hat sich eben übernommen. Er wollte hoch hinaus. Da hat er’s.«
    Johann wollte heftig erwidern, biß sich. Er fragte bloß: »Warum soll der Mann nicht für sein eigenes Kind hoch hinauswollen?« – »Was haben denn unsere Väter großmit uns beiden angegeben?« – »Du, Kößlin, ich möchte aber mal mit meinem Sohn ganz anders angeben.« Kößlin lachte. »Wo hast du denn dein Früchtchen?« Johann erwiderte nichts. Nach einer Weile sagte er vor sich hin: »Vier Wände, ein Dach, ein Boden.« –

Weitere Kostenlose Bücher