Der Kraehenturm
Euch bereits erwartet.«
Silas stöhnte auf. Einen dämlicheren Namen gab es wohl nicht!
Der Junge blickte ihn besorgt an. »Eure Reise muss sehr beschwerlich gewesen sein. Gott sei gedankt, dass er Euch auf sicheren Pfaden führte.«
Was für eine Pferdekacke! Silas lächelte und hoffte, dass es nicht wie Zähnefletschen aussah.
»Gott ist gnädig«, presste er mühsam hervor. Das würde schwerer werden, als er gedacht hatte.
»Ich werde Euch Eure Räumlichkeiten zeigen. Ihr wohnt nur wenige Meter von der Kirche entfernt zusammen mit den Akolythen in einem bescheidenen Haus.«
Silas senkte nur demütig den Kopf. Er sagte besser nichts, denn er traute seiner Stimme noch nicht zu, das Erschrecken zu verbergen, das ihn bei dem Gedanken überkam, von morgens bis abends den frommen Deppen geben zu müssen.
»Ich kann Euch direkt hinführen. Mein Name ist übrigens August Machtolder.«
»Möchte mich Hochwürden Kossa nicht sprechen?«
»Er ist ein viel beschäftigter Mann.« Die Brust des Ministranten schwoll vor Stolz an. »Ich werde Euch wissen lassen, wenn er Zeit für Euch zu erübrigen vermag.«
Silas kämpfte um Selbstbeherrschung. Da war er wohl an den Liebling vom Chef geraten. Wie gerne würde er ihm das überhebliche Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Ein Gutes hatte es aber, wenn sich seine Hochwürden so wenig um seine Schäfchen kümmerte: So würde er einiges unbemerkt erledigen können.
Er folgte August nach draußen und deutete auf Adele. »Das Tier hat mich hierher begleitet.«
Das Gesicht des Ministranten erstrahlte. »Ein Maultier! Ich sehe, Ihr seid ein wahrer Mann Gottes, voller Demut und Bescheidenheit, dass Ihr Euch mit einer solch hässlichen Kreatur abgebt.«
Der Hexenjäger ging zu Adele und gab vor, ihr Zaumzeug zu richten. »Mach dir nichts draus«, flüsterte er ihr ins Ohr. Am liebsten hätte er August in das feiste Hinterteil getreten, während er ihm zu einem zweistöckigen Fachwerkhaus folgte, an dessen Fassade wilder Wein rankte.
»Hinter dem Haus befindet sich ein Stall, in dem Ihr Euer Tier unterstellen könnt.« August führte sie in den Hof, stapfte auf die Eingangstür zu und bedeute Silas ungeduldig ihm zu folgen, als dieser kurz innehielt, um Adele zu kraulen und ihr aufzutragen, auf ihn zu warten.
Der Ministrant öffnete die unverschlossene Tür. »Der neue Diakon ist angekommen!« Seine Stimme klang glockenhell durch das Haus.
Es war ein einfaches Gebäude. Von der Diele gingen mehrere Türen in die anliegenden Zimmer ab, und eine schlichte Holztreppe führte in den ersten Stock.
Eine Frau mittleren Alters mit roten Wangen und einem grauen Zopf kam aus einer Tür, hinter der offensichtlich die Küche lag.
»Ich bin Margret.« Sie streckte Silas eine kräftige, mehlige Hand entgegen. »Es ist eine Ehre, so viele Diener Gottes im Haus zu haben.«
»Der Herr segne Euch.« Der Hexenjäger bemühte sich, väterlich zu klingen.
Margret knickste ausgesprochen anmutig für ihren Leibesumfang. »Frühstück gibt es eine halbe Stunde nach dem ersten Hahnenschrei. Folgt einfach dem Duft des frischgebackenen Brotes.«
Silas nickte ihr freundlich zu – immerhin war sie zu etwas zu gebrauchen – und beobachtete, wie sie schwerfällig in den Nebenraum watschelte. Zumindest würde sie ihn nicht in Versuchung führen, das Zölibat zu brechen.
Margret kehrte mit einem Schlüsselbund zurück. »Der Große ist für die Haustür, der Kleine für Eure Räume.«
»Vielen Dank, liebe Frau.«
»August wird Euch herumführen.« Sie warf dem Jungen einen strengen Blick zu. »Ich muss mich um das Abendessen kümmern.«
Der Hexenjäger ging zusammen mit dem Messdiener in den ersten Stock, der denselben Aufbau wie das Erdgeschoss aufwies.
»Ihr dürft Euch im mittleren Zimmer einrichten.«
Silas entfuhr beinahe ein Fluch. Wie sollte er sich hier unbemerkt rausschleichen? Mittleres Stockwerk, mittleres Zimmer und mittleres Fenster – schlimmer hätte es gar nicht kommen können.
»Heute werdet Ihr nicht mehr gebraucht, aber kommt morgen früh in die Kirche.«
»Was werden meine Aufgaben sein?«
»Euer Vorgänger, Diakon Zacharas von Orvelsbach, war hauptsächlich damit beschäftigt, sich um die Menschen zu kümmern, die priesterlichen Beistand benötigen und nicht in der Lage sind, in die Kirche zu kommen. Leider hatte er ebenfalls eine Vorliebe für verlorene Seelen und wollte nicht erkennen, dass manche unwiderrufbar dem Teufel verfallen sind.«
Das sah seinem Halbbruder
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