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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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ähnlich. Wie oft hatte er sie beide mit seiner naiven Mildtätigkeit in Schwierigkeiten gebracht?
    »Was geschah mit diesem Zacharas? Wurde er versetzt?«
    August schüttelte den Kopf. »Er verschwand.«
    »Wieso sollte jemand sein Amt auf solch schändliche Weise niederlegen?«
    Der Messdiener senkte die Stimme verschwörerisch. »Wir vermuten, dass er tot in einem Straßengraben liegt. Es gehen Gerüchte um, dass er sich mit einer Hexe eingelassen haben soll, deren Seele er zu retten versuchte.« Dann hielt er kurz inne und blickte hastig um sich. »Aber ich habe schon zu viel gesagt, meine Pflichten erwarten mich.«
    Silas erkannte an dem gehetzten Ausdruck in Augusts Augen, dass dieser jetzt nichts mehr sagen würde, und begleitete ihn nach unten, um Adele zu versorgen und seine Waffen ins Haus zu schmuggeln. Er konnte sich vorstellen, dass an den Gerüchten etwas dran war. Schließlich brachten Frauen immer Ärger, vor allem, wenn es vermeintliche Hexen waren. Er musste diese Person finden.

9
    Auf Spurensuche
    G
    27. Octobris, Heidelberg
    A ber Morgagni weist in seinem Werk De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis nach, dass zumindest einige Krankheitssymptome auf organische Ursachen zurückzuführen und nicht einem Ungleichgewicht der Säfte zuzuschreiben sind.« Während Icherios noch in die beklemmende Stille des Hörsaals sprach, wurde er sich bereits seines Fehlers bewusst. Aber er hatte das stupide Auswendiglernen von veralteten Büchern satt. Seit knapp einer Woche besuchte er die Universität, und bis auf wenige Ausnahmen zwang man ihn überholte, falsche Dinge zu lernen. Besonders die Jesuiten, die etwa alle drei Jahre ausgewechselt wurden, verfügten nicht über die Zeit, sich auf ihren Fachbereich einzulassen und Vorlesungen vorzubereiten.
    Der schwarz gewandete Professor Frissling unterbrach ihn. »Sie berufen sich tatsächlich auf einen Italiener?«
    Icherios war sprachlos.
    »Es ist allgemein bekannt, dass die Italiener zügellos und von Gott abgewandt leben. Der Teufel regiert dort.«
    »Dann lasst uns doch diese Untersuchung widerlegen. Lasst uns Experimente durchführen und den Gottlosen beweisen, wie Unrecht sie haben!«, versuchte der junge Gelehrte den Jesuiten zu überzeugen.
    »Alles, was wir wissen müssen, berichtet uns Galenos in seinem Methodi medendi . Es wird seit Jahrzehnten gelehrt.«
    »Und in dieser Zeit sind neue Erkenntnisse gewonnen worden. Sollten wir uns diese nicht zum Nutze der Menschheit aneignen?« Icherios’ Hände zitterten. Er war selbst verwundert, welchen Mut er nun hervorbrachte. War dies eine Folge des Vampirbisses?
    »Wir sind nur Gottes Werkzeuge und vollenden sein Werk, egal welch weltliche Bestrebungen oder Hochmut uns verleiten.«
    Im Hörsaal breitete sich Unruhe aus. Die Studenten waren offene Streitgespräche nicht gewohnt, einige scharrten mit den Füßen.
    Frissling fuhr wütend herum. »Es reicht!« Dann wandte er sich erneut Icherios zu. »Noch ein Wort und ich werde den Pedell rufen, um Sie in den Karzer zu geleiten. Ich erwarte innerhalb einer Woche einen Aufsatz von fünfzig Seiten mit einer Analyse der verwerflichen Moral italienischer Universitäten.«
    Icherios wollte schon aufbegehren, doch Marthes legte warnend eine Hand auf seinen Oberschenkel. Widerwillig setzte er sich.
    »Mit dem Karzer ist nicht zu spaßen«, flüsterte Marthes. »Es sollen schon Studenten darin verschwunden sein.«
    Erst jetzt wurden dem jungen Gelehrten die Konsequenzen seiner Handlung bewusst. Seine Knie fingen an zu zittern, Schweiß brach ihm aus. Professor Frissling würde ihm nie vergeben. Was, wenn er mit den anderen Jesuiten sprach? Er konnte es sich nicht leisten, hier zu versagen. Er wollte doch unbedingt Arzt werden, da musste er sich eben mit dem Auswendiglernen veralteten Wissens abfinden. Was war nur in ihn gefahren?
    Marthes betrachtete ihn besorgt. »Alles in Ordnung? Du bist ganz blass.«
    Der junge Gelehrte schüttelte den Kopf. »Er wird mich das büßen lassen.«
    »Keine Sorge, du bist gut, und das wissen sie auch.«
    Icherios war sich dessen nicht so sicher. Den Rest der Vorlesung bemühte er sich, so unauffällig wie möglich zu sein. Sein Magen wollte nicht aufhören zu schmerzen.
    Es war die letzte Stunde des Tages. Seit fast einer Woche war er nun in Heidelberg, und wenn man von seinen Problemen mit Professor Frissling absah, ging es ihm recht gut. Seine erste Prüfung hatte er mit Mühe und Not bestanden und seither einen

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