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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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kam, durch die sie über eine wacklige Leiter in den Gewölbekeller stiegen, dessen Decke etwa zwei Mann hoch war. Im vorderen der zwei Räume lagerten Weinfässer, die sorgfältig beschriftet in riesigen Holzkonstruktionen lagen.
    »Die meisten sind leer«, brummelte Kil. »Schlechte Zeiten, der Wein ist saurer als Essig.«
    »Fiel Ihnen etwas an diesem Zirkel auf, bevor er ver­schwand?«
    Kil runzelte die Stirn. »Wenn Ihr mich so fragt. Er wirkte die letzten Tage etwas beunruhigt und bedrückt. Vorher war er immer zu einem Scherz aufgelegt gewesen, aber als ich ihn das letzte Mal sah, stritt er sogar mit jemandem.«
    »Wissen Sie, wie der andere aussah?«
    »Groß, dünn, irgendwie grau. Er stellte sich nicht vor, und ich sah ihn auch nie wieder.«
    Franz! Was hatte er damit zu tun? Icherios wollte sich nicht vorstellen, dass der freundliche und gelassene Mann in Vallentins Tod verwickelt war.
    Kil holte einen Schlüssel hervor und öffnete die Tür zum nächsten Raum, bei dessen Anblick es dem jungen Gelehrten den Atem verschlug. Die Wände waren von Regalen gesäumt, in denen sich Pergamentrollen in dichten Schutzhüllen und Bücher aus allen erdenklichen Zeiten, manchmal auch nur lose Blattsammlungen, stapelten. Auf einem riesigen Tisch standen Tintenfässer, Pulver zum Anrühren von Farbe und verschiedenste Pinsel und Messer. Icherios malte sich aus, wie Vallentin stundenlang hier gestanden hatte und dabei seiner liebsten Beschäftigung, der Erstellung von Landkarten, nachgegangen war. Er musste sich wie im Paradies gefühlt haben.
    »Für drei Monate ist noch bezahlt. Sehen Sie zu, dass das Zeug hier wegkommt.«
    »Was passiert sonst damit?«
    Kil zuckt mit den Schultern. »Ich brauche den Platz. Irgendwann wird das Wetter wieder besser werden, und ich habe einem der Taugenichtse vom alten Milbrecht einen Weinberg abgekauft. Bald werden hier Fässer bis unter die Decke lagern, also muss der ganze unnütze Tand verschwinden. Entweder es endet als Zunder, oder Ihr nehmt es mit, gegen eine kleine Entschädigung natürlich. Papier brennt wunderbar, müssen Sie wissen.«
    Icherios starrte den Mann fassungslos an. Wie konnte nur jemand auf die Idee kommen, diesen Schatz zu verbrennen? »Ich werde mich darum kümmern.«

10
    Nächtliches Kartenspiel
    G
    27. Octobris, Heidelberg
    D u siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Icherios fuhr zusammen, als Franz’ Stimme hinter ihm erklang. Dieser stieg gerade die Treppe vom Sekundum herunter. Während er noch genüsslich auf einer Nuss kaute, legte er ihm einen Arm auf die Schulter. »Ich hörte Geräusche und dachte mir, dass du endlich nach Hause gekommen bist. Gismara und ich spielen Karten. Zu zweit macht es aber nicht halb so viel Spaß. Also hol Maleficium, und dann hilfst du mir, dieses Teufelsweib zu besiegen.«
    Icherios war gar nicht danach zumute, Karten zu spielen, auch wenn er neugierig auf diese Agentin des Magistratum war, von der er schon so viel gehört hatte.
    »Ich bin zu müde.«
    »Papperlapapp, wir müssen uns mal etwas vergnügen.«
    »Franz …« Icherios holte tief Luft. »Kanntest du Vallentin Zirker?« Von Franz’ Antwort hing es ab, ob zumindest eine kleine Hoffnung bestand, dass er ihm vertrauen konnte.
    »Ja klar, er kam wie du aus Karlsruhe und sollte für Auberlin eine Karte anfertigen. Ist er ein Freund von dir?«
    »Er ist tot.« Der junge Gelehrte beobachtete Franz’ Reaktion genau. War seine Überraschung und der Anflug von Trauer echt, der sich auf dessen hagerem Gesicht widerspiegelte?
    »Das tut mir leid, aber warum fragst du nach ihm?«
    Icherios wagte es nicht, sich Franz vollkommen anzuvertrauen, obwohl er sich nichts mehr wünschte als einen Menschen, mit dem er über seine Probleme reden konnte. Obwohl, zur Not würde ihm auch ein Vampir genügen, dachte er bei sich, und sofort fiel ihm Carissima ein. Sie würde ihn verstehen, ihm zuhören und mit ihrem Wissen zur Seite stehen. Sie hatte ihm schon in Dornfelde beigestanden. Schuldbewusst musste er an Julie denken. Es war nicht richtig, sich mit ihr zu vergnügen, während er sich zugleich nach einer anderen Frau sehnte. Julie war einfach und unkompliziert, alles Eigenschaften, die Carissima nicht aufwies. Dafür war die Vampirin aufregend und eine wahre Freundin.
    »Ich weiß erst seit Kurzem, dass er für den Ordo Occulto gearbeitet hat, und bin neugierig.«
    Franz blickte ihn nachdenklich an. »Mach nicht denselben Fehler wie er, und lass dich nicht in den

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