Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville

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irgendjemand seinen Ehepartner aufgrund des Geredes einer Handleserin vom Rummelplatz erwählen würde. »Warum sollte er wollen, dass alles zu Ende geht?«, fragte Billy.
    »Ich bin nicht überzeugt, dass er das wollte«, sagte Fitch.
    Der Plan mochte von selbst etwas in Gang gesetzt haben. Unvermeidliche, letzte, unbeabsichtigte Konsequenzen. Wie schlimm musste es sein, um einen Londonmantiker dazu zu bringen, ein Millennium der Ehre zu beenden und zu intervenieren? So schlimm wie eben jetzt.
    »Sie mussten ihm also zuvorkommen, um seine Pläne zu vereiteln«, bemerkte Billy einigermaßen verwundert. »Sie mussten den Kraken präentwenden.«
    »Die Auktion stand kurz bevor.« Saira zuckte mit den Schultern. »Wir brauchten einen Köder für Simon. Es war nicht schwer, einen Waffenschmied aufzutreiben, der das Ding manipulieren konnte. Dane ... wir wussten nicht, wann das alles passieren würde.«
    »Wir mussten aktiv werden, als wir aktiv wurden«, sagte Fitch. »Ihr müsst verstehen ... alles brennt und danach geschieht nie wieder irgendwas, wenn sie den Kraken bekommen. Als ich das von Adler erfuhr, hat sich alles verändert.«
    Simon spielte sein Spiel, flüsterte Phrasen aus seiner TV-Serie, erschien in der Dunkelheit des Darwin Centres, eine gewissenhaft replizierte Einblendung wie ein Glitzern im Wasser, um »die Koordinaten zu beschaffen«, ehe er sich und den Kraken auflöste und einspeiste in einen Strom aus Partikeln, aus Energie und wieder aus Partikeln.
    »Aber was ist mit Adler passiert?«, fragte Billy. Saira sah ihm direkt in die Augen. Fitch nicht.
    »Orte wie dieser«, erklärte Saira, »sind gut bewacht. Man kann da nicht einfach reinspazieren.«
    »Ihr eiskalten Bastarde«, sagte Dane nach einer Weile.
    »Ach, bitte«, erwiderte Saira. »Das muss mir gerade ein Meuchler sagen.«
    »Sie haben ihn als Lockvogel benutzt«, sagte Billy. »Sie haben ihm sonst was erzählt, um ihn bei der Stange zu halten ... wegen des Timings haben Sie ihn hingeschickt.«
    »Simon hätte es nie rein und wieder raus geschafft«, jammerte Fitch. »Wir wussten nicht, dass der Engel ... wir mussten ihn lediglich ablenken.« Der Engel der Erinnerung, der Mnemophylax, hatte sich auf Al gestürzt, kaum dass Simon den verblüfften Möchtegernräuber hineingebeamt hatte. An diesem Todesfall war der kaputte Trekkie nicht unschuldig. Wie sich nun herausgestellt hatte, klebte die Schuld für mindestens einen Mord im Sinne des Gesetzes auch an seinen Händen.
    »Und während der Engel mit ihm beschäftigt war, haben Sie den Kraken rausgeholt.« Billy schüttelte den Kopf. »Das wirft eine zweite Frage auf. Sie haben doch all das getan, um das Feuer aufzuhalten, richtig?« Er reckte die Hände hoch. »Tja, Sie haben uns die Eingeweide gezeigt. Wir alle wissen, wie es um den Himmel steht. Was, also, ist schiefgegangen?«
    Lange herrschte Stille.
    »Es hat nicht funktioniert«, sagte Saira schließlich, schüttelte den Kopf, klappte den Mund auf und wieder zu.
    Billy lachte bitterböse. »Sie haben gesehen, was passiert, wenn er gestohlen wird. Also haben Sie ihn gestohlen, um zu verhindern, dass er gestohlen wird. Aber weil Sie ihn gestohlen haben, wurde er gestohlen. Und damit wurde alles in Gang gesetzt.«
    »Ich weiß nicht, was tun«, sagte Fitch.
    »Ich werde euch sagen, was ihr tun werdet«, erwiderte Dane. »Ihr bringt mich zu meinem Gott.«

46
    Wieder einmal waren die Bäuche der Tauben in Aufruhr, und die abstoßenden Ergebnisse ihrer Verdauung legten auf eigentümliche Weise Zeugnis ab von der Sorge, die auf der Stadt lastete. Andere urbane Spektakel ließen sich immer schlechter beiläufig abtun. Brennstoff in häuslichen Feuerstellen wollte kaum mehr brennen. Es gab sorgenvolle Spekulationen über die Witterungsverhältnisse. Jede Flamme brannte widerwillig, als stünde nur eine begrenzte Menge an Flammen zur Verfügung; als müssten sie gehamstert werden; gespart für irgendwas.
    Außerdem, ja, genau, verschwanden Menschen. Es gab keine Zivilisten im Krieg, keine Brandmauern trennten die seligen Unwissenden von jenen, die enge Beziehungen zu Netzwerken und verbrecherischen oder religiösen Märkten unterhielten. Und Londoner, sogar solche, die eindeutig der breiten Masse angehörten, verschwanden. Aber nicht auf diese mythische, spurlose Art, nein, sie pflegten höchst beunruhigende Spuren zu hinterlassen: ein Schuh; die Besorgungen, die sie hatten erledigen wollen, die sie aber noch nicht getätigt hatten und die