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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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sie zu verbrennen. Was auch immer.
    Zum ersten Mal hatte Collingswood von den beiden gehört, als sie die Reproduktion eines Dokuments aus dem siebzehnten Jahrhundert las, eine Beschreibung, in der es um einen »langfingrigen Übelspender und seinen toten lebenden Sohn« ging. Mit alten Schriftarten nicht vertraut, hatte sie folglich einige Wochen lang angenommen, die beiden hießen Goff und Fubby, worüber sie später mit Baron herzlich gelacht hatte.
    »Fo«, sagte sie. »Waren fie ef? Ift daf daf Werk von Goff und Fubby?« Und tatsächlich lachte Baron kurz. »Ift daf ihr MO?«
    Und da hatten sie das Problem. Goss und Subby kannten so etwas wie einen Modus Operandi gar nicht. Baron, Vardy und Collingswood musterten den präparierten Mann. Dann zogen sie ihre Notizen zurate, fertigten neue an, schlichen um die Leiche herum und murmelten mit sich selbst und untereinander.
    »Das Einzige, was wir sicher wissen«, sagte Baron schließlich spähend und vorgebeugt, »ist, dass es, soweit wir wissen, keine Berichte gibt, denen zufolge sie so etwas schon früher getan hätten. Ich habe mir die Akten angesehen. Vardy?«
    Vardy zuckte mit den Schultern. »Wir sind im Blindflug«, sagte er. »Das wissen wir alle. Aber falls Sie meine Meinung hören wollen: Letztendlich denke ich ... meine Meinung lautet: Nein. Nach allem, was ich über ihre Vorgehensweise weiß, sind sie immer sehr direkt, Hände, Knochen. Das hier ... das ist was anderes. Ich weiß nicht, was das ist, aber es ist nicht ihr Werk, ich glaube nicht, dass es ihr Werk ist.«
    »Also schön«, sagte Baron. »Also sind wir hinter Goss und dem verflixten Subby her und auf der Suche nach jemandem anderen, der seine Gegner einmacht.« Er schüttelte den Kopf. »Herr, gib mir eine verdammte schwere Körperverletzung. Also gut, Ladys, Gents, machen wir mit dem Burschen weiter. Wir müssen die arme Sau identifizieren, und zwar plötzlich. Neben vielen anderen verdammten Dingen, die auf uns warten.«

19
    Und in New London? Auf Ihnen ruht die umfassende, mitleidslose Aufmerksamkeit der Stadt, erklärte der Teuthex. Sie werden gejagt. Billy stellte sich vor, wie er auftauchte, mit Augen, so groß wie die eines Fischs, und London - wo das Tattoo, Goss, Subby und die Werkstatt schon warteten - würde es merken. Oh, da bist du ja.
    Unter der Stadt bewegte er sich beinahe, als wäre er frei. Mehr als einmal begegnete ihm ein Krakenist und starrte ihn an, und er starrte zurück, aber keiner von ihnen kam ihm ins Gehege. Hier und da war das graue Basrelief der Cephalopoden schadhaft, und darunter waren antike Ziegelsteine erkennbar. Er fand eine Tür zu einem hell erleuchteten Raum.
    Der entlockte ihm ein Keuchen. Seine Grundfläche entsprach in ihren Proportionen einem kleinen Wohnzimmer, aber der Boden lag weit unten. Grotesk weit unten. Stufen hangelten sich hinab. Es war ein Schacht von einem Raum, gesäumt von Büchern. Leitern baumelten an Bibliotheksregalen. Als die Besitztümer der Kirche gewachsen waren, überlegte Billy, mussten die horizontalen Beschränkungen ganze Generationen von Krakenanbetern erfordert haben, um diese Bibliothek auszubuddeln.
    Auf dem Weg nach unten las Billy die Titel. Ein Tibetisches Totenbuch neben der Bhagavad Gita neben zwei oder drei Koranausgaben, Alten und Neuen Testamenten, Arcana, Aztekischen Theonomiken. Cephalopodenfolklore; Biologie; Humor; Kunst und Ozeanographie; billige Taschenbücher und antiquarische Raritäten. Moby Dick, in dessen Einband Konturen eingeritzt waren. Vernes 20 000 Meilen. Das Wappen der Pulitzermedaille prangte auf einer einzelnen Seite eines Buches, auf der die Worte »Riesenkalmar schießt in der kalten Dunkelheit über den Meeresboden« das einzig Lesbare darstellten, was unter der Farbe noch übrig war. Gefährliche Gezeiten von Jim Lynch, kopfüber festgetackert wie etwas Sündhaftes.
    Tennyson und ein Gedichtband von Hugh Cook standen einander gegenüber, geöffnet auf konkurrierenden Seiten. Billy las das Gegenstück zu Alfred Lord:
    Der Krake erwacht
Die kleinen silbrigen Fische
Zerstieben wie Schrapnelle,
Wenn ich hinaufstürme
Aus der schwarzen Unterwelt.
Mein Körper teilt die grünen Wogen,
Als ich auftauche - meine Zeit ist gekommen.
Und binnen zehn Sekunden schon
Spüre ich meine eigene Hitze -
Der Wind kann nie kühlen wie das Meer.
Am Vormittag
Schwitzt meine Haut in Todesqual.
Aufruhr in meinen Eingeweiden,
Wölbt sich unter meiner Haut.
Ich bin zu krank zu kämpfen - ich hänge da
In den

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