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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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nicht wir«, entgegnete Moore leise.
    »Was?« Aber der Kalmar war eine Reliquie. Um die hätten Sie doch sicher gekämpft wie ein Anhänger Roms um ein Leichentuch oder ein inbrünstiger Buddhist um ein gestohlenes Sutra. »Wer dann?«
    »Tja«, sagte Moore. »Eben.«
    »Passen Sie auf«, fuhr er gleich darauf fort. »Sie müssen das Universum überzeugen, dass die Dinge auf bestimmte Weise Sinn ergeben. Darum geht es beim Kunsten.« Billy blinzelte verwirrt angesichts dieser abrupten Wendung und dem so fremdartig verbisierten Wort. »Dazu nutzen Sie, was Sie können.«
    »Schnipp«, sagte Dane und schnippte mit den Fingern. Zusammen mit dem Geräusch tauchte genau dort, wo die Finger aneinandergestoßen waren, ein winziger, fluoreszierender Lichtpunkt in der Luft auf. Billy stierte ihn an und wusste, dass das kein billiger Zaubertrick war. »Das ist nur Haut und Hand.«
    »Sie nutzen, was Sie können«, sagte Moore. »Und manches davon ist einfach besser als anderes.«
    Billy erkannte, dass Dane und sein Priester das Thema gar nicht gewechselt hatten.
    »Ein Riesenkalmar ist ...« Billy verstummte, doch er dachte eine machtvolle Medizin, eine große Sache, ein kolossaler Deal. Kunsten. »Darum wurde er gestohlen. Darum will ihn das Tattoo. Aber das ist hirnrissig«, fügte er hinzu. Er konnte sich nicht bremsen. »Das ist hirnrissig.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Moore. »Alberner Glaube. Es muss eine Metapher sein, nicht wahr? Es muss für irgendwas anderes stehen.« Er schüttelte den Kopf. »Ist das nicht furchtbar arrogant? Was, wenn Glaubenssätze exakt das ausdrücken, was sie ausdrücken? Wenn sie bedeuten, was sie besagen?«
    »Versuchen Sie nicht, dem einen Sinn abzuringen. Hören Sie einfach zu«, mahnte Dane.
    »Und was«, fuhr Moore fort, »wenn sie sich vor allem deswegen so zäh behaupten, weil sie absolut korrekt sind?« Er wartete. Billy antwortete nicht. »Das ist alles vollkommen real. Das Tattoo will diesen Kalmar, Billy, um selbst etwas damit zu tun oder um jemanden anderen davon abzuhalten, etwas zu tun.«
    »All diese Dinge besitzen ihre eigene Macht, Billy.« Moore sprach eindringlich. »Auf dem Weg in die Tiefe gibt es viele Strömungen, so würden wir sagen, aber manche reichen tiefer, fließen schneller als andere. Manche sind richtig.« Er lächelte nicht wie jemand, der Scherze machte.
    »Was soll denn irgendjemand damit tun?«, fragte Billy.
    »Was es auch ist«, erwiderte Dane, »ich bin dagegen.«
    »Was denn nicht?«, fragte Moore. »Was wäre nicht möglich? Mit etwas, das so heilig ist.«
    »Und darum müssen wir hier raus«, sagte Dane. »Um es zu suchen.«
    »Dane«, sprach Moore.
    »Das gebietet die Sorgfalt«, sagte Dane.
    »Dane. Wir brauchen Einsicht, gewiss«, räumte Moore ein. »Aber wir müssen Vertrauen haben.«
    »Was könnte unser Vertrauen deutlicher aufzeigen, als dort hinauszugehen?«, fragte Dane. »Begreifen Sie, was los ist?« Er wandte sich an Billy. »Wie gefährlich das alles ist? Das Tattoo will Sie, und jemand hat einen Kraken. Das ist ein Gott, Billy. Und wir wissen nicht, wer ihn hat oder warum.«
    Ein Gott, dachte Billy. Der Dieb hatte eine blässliche, formalinkonservierte Masse gummiartigen Miefs. Aber er wusste, die Wahrheit war unwahr.
    »Gott kann auf sich selbst aufpassen«, sagte Moore zu Dane. »Sie wissen, dass Dinge geschehen, Billy. Sie wissen es seit Tagen.«
    »Ich habe gesehen, dass Sie es spüren«, fügte Dane hinzu. »Ich habe gesehen, wie Sie den Himmel beobachtet haben.«
    »Ein Ende ist gekommen«, sagte Moore. »Und es ist das Werk unseres Gottes, und es obliegt nicht unserer Kontrolle. Und das ist nicht richtig!« Er spreizte die Finger, bis seine Hände eine groteske Gebetshaltung hatten. »Darum sind Sie hier, Billy. Sie wissen Dinge, von denen Sie gar nichts wissen«, stellte er fest, und sein Feuereifer machte Billy schaudern. »Sie haben an seinem heiligen Leib gearbeitet. «

18
    »Du könntest jetzt gut und gern mit deinen kleinen Füßen stampfen, nicht wahr, Subby? Könntest deinen Schuh ausziehen und in den See werfen.«
    Goss stampfte. Subby ging ein paar Schritte hinter ihm, die Hände hinter dem Rücken, eine plumpe Nachäffung des Mannes. Goss war vorgebeugt und brummte vor Energie. Wiederholt löste er seine Hände voneinander, um sie an seinem schmuddeligen Oberteil abzuwischen. Subby sah ihm zu und tat es ihm gleich.
    »Wo sind wir jetzt?«, sagte Goss. »Tja, das könntest du fragen. Das könntest du fragen.

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