Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
Finger.« Den Leichnam, den Corpus eines aufstrebenden Gottesbabys, eines Reisenden, der aus der Tiefe kam.
    »Wie sieht dein Plan aus?«, fragte Wati.
    Dane zog seine Liste hervor. »Ich vermute, dies hier sind sämtliche Leute in London, die imstande sind, etwas so Großes wie den Kraken zu portieren. Wir können demnach herausfinden, wer ihn da rausgeholt hat.«
    »Halt sie höher«, sagte Wati. Dane vergewisserte sich, dass niemand zusah, und hielt der Statue die Liste vor die Augen. »Das sind ... was ... zwanzig Leute?«
    »Dreiundzwanzig.«
    »Das wird eine Weile dauern.« Dane sagte nichts. »Hast du eine Kopie davon? Warte.«
    Eine Brise umwehte sie, ein spürbarer Abgang. Dane lächelte. Eine Minute später flog ein Sperling herbei und landete auf Billys Hand. Dieser erschrak. Doch obwohl er vor Schreck zusammenzuckte, blieb der Vogel sitzen. Er musterte Billy und Dane von oben bis unten.
    »Na los, gebt ihr die Liste«, sagte Wati, der wieder in der Statue war. »Sie ist nicht deine Vertraute, kapiert? Nicht einmal temporär. Sie ist meine Freundin, und sie tut mir einen Gefallen. Schauen wir mal, was wir herausfinden können.«

27
    Ihr Boss war verständnisvoll, konnte aber nicht ewig auf sie verzichten. Marge musste zurück zur Arbeit.
    Leons Mutter sagte, sie käme nach London. Sie und Marge waren einander nie begegnet und hatten nie miteinander gesprochen bis zu diesem Zeitpunkt, als Marge sie verlegen anrief und von Leons Verschwinden berichtete. Die Frau wusste offensichtlich wenig über Leons Leben und schien auch nicht mehr wissen zu wollen. Sie dankte Marge dafür, dass sie »sie auf dem Laufenden gehalten« habe.
    »Ich weiß nicht, ob das die richtige Vorgehensweise ist«, meinte sie, als Marge vorschlug, dass sie zusammen versuchen könnten, herauszufinden, was passiert war.
    »Ich glaube nicht, dass die Polizei ...«, sagte Marge zu ihr. »Ich meine, ich bin überzeugt, sie tun, was sie können, aber, wissen Sie, sie haben so viel zu tun, und uns fällt vielleicht noch etwas ein, worauf die gar nicht kommen können. Wir könnten einfach die Augen aufhalten, wissen Sie?« Leons Mutter meinte, sie würde sich bei Marge melden, falls sie irgendetwas herausfände, aber keiner von ihnen glaubte so recht daran. Leons letzte Botschaft erwähnte Marge gar nicht.
    Als sie sagte: »Ich gebe ebenfalls Bescheid, sollte ich etwas herausfinden«, wurde ihr plötzlich klar, dass sie weniger der Frau ein Versprechen gab als sich selbst, dem Universum, Leon, irgendwas. Sie wollte nicht aufgeben und nicht aufhören. Marge durchlebte Zorn, Panik, Resignation, Trauer. Manchmal - wie sollte sie auch nicht? - versuchte sie sich an der Vorstellung, dass sie sich einfach furchtbar in ihm geirrt hatte, dass Leon sie und sein gesamtes Leben einfach hinter sich gelassen hatte. Vielleicht war er in irgendeine Gaunerei verwickelt, die schiefgegangen war, vielleicht war er geisteskrank und saß heulend irgendwo an der Küste von Cornwall oder Dundee und war nicht länger der, der er gewesen war. Doch derartige Ideen setzten sich nicht durch.
    Sie schickte Leons Mutter die Schlüssel zu seiner Wohnung, die sie sich hatte anfertigen lassen, aber erst, nachdem sie einen weiteren Satz davon besorgt hatte. Sie schlich sich in die Wohnung und ging von Zimmer zu Zimmer, als könnte sie so irgendeinen Hinweis absorbieren. Eine Weile blieb jeder Raum, wie sie ihn in Erinnerung hatte, bis hin zu der Unordnung. Aber als sie eines Tages in die Wohnung kam, war sie nur noch eine leere Hülle; seine Familie hatte Leons Eigentum fortgebracht.
    Die Polizisten, mit denen Marge sprach, die, mit denen sie sprechen konnte, behaupteten immer noch, es gäbe wenig Grund zur Sorge, und dann, als immer mehr Zeit verging, wenig, das sie tun könnten. Marge jedoch hätte gern mit diesen anderen, merkwürdigen Polizisten gesprochen. Wiederholte Anrufe bei Scotland Yard brachten ihr nicht einmal eine Bestätigung ihrer Existenz. Die Barons, deren Nummer sie erhielt, waren nicht die Richtigen. Collingswoods gab es erst gar nicht.
    Waren diese Leute überhaupt die, die sie zu sein behauptet hatten? Oder waren sie nur gemeine Schurken, die wegen irgendeinem Fehlverhalten hinter Leon her waren? Versteckte er sich womöglich vor diesen Leuten?
    An ihrem ersten Tag zurück am Arbeitsplatz zeigten sich die Kollegen verständnisvoll. Die Papiere, mit denen sie zu tun hatte, waren unkompliziert und unwichtig, und obwohl die zögerlichen Begrüßungen ihrer

Weitere Kostenlose Bücher