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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Kollegen sie ermüdeten, waren sie doch auch rührend, und Marge ließ es sich still gefallen. Anschließend ging sie in dem entrückten Zustand zu ihrer Wohnung zurück, der seit Leons Verschwinden als Standardgemütszustand gelten durfte.
    Etwas bereitete ihr Sorgen. Ein Teil der Geräusche der Stadt an diesem Nachmittag, das Grollen der Fahrzeuge, das Gebrüll der Kinder, die Mobiltelefone, die polyphone Grausamkeiten irgendwelcher Melodien zum Besten gaben. Wieder und wieder und lauter und lauter, bis sie es nicht mehr überhören konnte, flüsterte jemand ihren Namen.
    »Marginalia.«
    Ein Mann und ein Junge waren aufgetaucht, offenbar in aller Stille, noch ehe sie ihre Schlüssel zur Hand genommen hatte. Sie hatten sich zu beiden Seiten ihrer Eingangstür aufgebaut, die Schultern an die Ziegelmauer gelehnt, und sahen einander an. Dabei standen sie so nahe an der Tür, dass Marge geradezu eingezwängt wurde. Der junge Bursche mit dem starren Blick trug einen Anzug; auf der anderen Seite der Tür ein schäbig aussehender, wettergegerbter Mann. Der Mann sprach zu ihr.
    »Marjorie, Marjorie, es ist ein Desaster. Die Plattenfirma war an der Strippe, niemand mag das Album. Gehen Sie runter ins Studio, wir müssen alles überarbeiten.«
    »Es tut mir leid«, sagte sie, »ich weiß nicht ...« Sie wich zurück. Weder der Junge noch der Mann hatten sie berührt, aber sie gingen mit ihr, perfekt im Takt miteinander und mit Marge selbst, sodass sie weiterhin eingepfercht war. »Was tun Sie, was ...?«, fragte sie.
    Der Mann sprach erneut: »Wir hatten insbesondere gehofft, Sie wären vielleicht in der Lage, diesen Gitarristen zu überreden, noch einmal vorbeizukommen und ein paar Sätze für uns zu spielen. Wie war noch sein Spitzname? Billy?«
    Marge hielt kurz inne und ging wieder weiter. Der Mann atmete Rauch aus. Sie stolperte rückwärts. Sie wollte rennen, aber die Normalität hinderte sie. Es war helllichter Tag. Nur einen Meter entfernt gingen Leute; da waren Fahrzeuge und Hunde und Bäume und Zeitungsverkäufer. Sie versuchte, vor dem Mann zurückzuweichen, doch er und sein Junge gingen mit ihr, und sie war immer noch zwischen ihnen.
    »Wer zum Teufel seid ihr?«, fragte sie. »Wo ist Leon?«
    »Tja, das ist genau das, nicht wahr? Wir wären absolitiv beglückt, das zu wissen. Theoretisch, das sei jedoch zugegeben, sind wir weniger hinter Leon her als hinter seinem alten Kumpel Billy Harrow. Wo Leon ist, da habe ich eine Ahnung - nimm ein bisschen ab, sagt Subby; ich kann eben nicht widerstehen, sage ich, bei so kleinen Häppchen wie ...« Er leckte sich die Lippen. »Aber Billy und wir haben uns gerade gefunden, da ist es plötzlich knifflig geworden. Also, wohin mag er verschwunden sein?«
    Marge rannte. Sie rannte zur Hauptstraße. Die beiden blieben bei ihr. Sie hielten mit und bewegten sich dabei seitwärts, der Junge auf der einen, der Mann auf der anderen Seite. Sie berührten sie nicht, waren ihr aber ständig nahe.
    »Wo ist er? Wo ist er?«, fragte der Mann. Der Junge stöhnte. »Sie müssen meinen geschwätzigen Freund entschuldigen - der kann verdammt noch mal nie die Klappe halten, nicht wahr? Dennoch liebe ich ihn, und nützlich ist er auch. Außerdem liegt er nicht verkehrt. Er hat da einen hervorragenden Punkt angesprochen: Wo ist Billy Harrow? Sind Sie diejenige, die den Burschen weggezaubert hat?«
    Marge drückte ihre Handtasche an die Brust und stolperte weiter. Der Mann umkreiste sie, während sie davontapste, ein Ringelpiez mit dem Jungen. Die Leute auf der Straße starrten sie an.
    »Wer sind Sie?«, brüllte Marge. »Was haben Sie mit Leon gemacht?«
    »Na, gegessen, Sie Dummerchen! Aber sehen wir doch mal, mit wem Sie so geplaudert haben ...« Vor ihrem Gesicht fuhr seine Zunge durch die Luft. Sie scheute zurück und schrie auf, aber seine Zunge berührte sie gar nicht. Er schmatzte, atmete aus, wieder eine Rauchfahne, und doch hatte er keine Zigarette im Mund oder in der Hand.
    »Hilfe!«, schrie sie. Die Leute zögerten.
    »Sehen Sie, es war einfach, Sie aufzuspüren dank der vielen Spuren zwischen hier und der Leonpastete, also habe ich angenommen ...« Schleck-schleck. »Nicht viel, Subby. Jetzt sag die Wahrheit, Pflaume, wo ist der alte Billy?«
    »Alles in Ordnung, Mädchen? Brauchst du Hilfe?« Ein großer junger Mann näherte sich, die Fäuste geballt und kampfbereit. Hinter ihm stand ein Freund in der gleichen Angriffshaltung.
    »Wenn du wieder redest«, sagte der schäbige Mann,

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