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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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ohne den Fremden anzusehen. Er starrte nur Marge an. »Oder wenn du noch einen Schritt näherkommst, dann werden mein Junge und ich dich segeln schicken, und dir wird nicht gefallen, was unter dem Besanmast wartet. Wir nähen dir ein Leinenkleid. Verstehst du mich? Wenn du redest, backen wir dir, o Gott, den schrecklichsten Kuchen.« Seine Stimme wurde immer leiser. Er flüsterte, aber sie hörten ihn. Nun drehte er sich um und starrte die beiden potenziellen Retter an. »Oh meint er das ernst, meint er es, wir könnten ihn packen, nimm du das Kind, der alte Schwabbel gehört mir, auf drei, nur scheint er es doch ernst zu meinen und so weiter. Etwas Kuchen gefällig?« Er gab ein abscheuliches Geräusch von sich, irgendwo zwischen Schlucken und Lachen. »Macht noch einen Schritt. Noch einen Schritt.« Er sprach die letzten beiden Worte nicht, er exhalierte sie.
    Die Vögel krakeelten immer noch, die Autos jammerten, und ein paar Meter entfernt unterhielten sich die Leute so, wie sie sich überall unterhielten, nur dort, wo Marge stand, war es kalt und schauerlich. Die beiden Männer, die ihr zu Hilfe geeilt waren, verzagten unter Goss' starrem Blick. Ein Moment verging, dann zogen sie sich zurück, begleitet von Marges entsetztem »Nein!«. Sie rannten nicht davon, sie verharrten nur ein paar Schritte weiter entfernt und sahen zu - als wäre die Strafe dafür, dass sie die Nerven verloren hatten, dem Geschehen weiter zu folgen.
    »Nun gut, wenn Sie die Störung verzeihen mögen ...« Wieder leckte Goss die Luft um sie herum. Marge war so sicher zwischen den beiden eingeklemmt, als würden sie sie tatsächlich berühren.
    »Also schön«, stellte Goss endlich fest und richtete sich zu voller Größe auf. »Ich kann nichts riechen.« Er bedachte seinen Kumpan mit einem Schulterzucken, was dieser erwiderte. »Sieht nicht so aus, Subby.« Beide traten zurück.
    »Tut mir leid, dass wir Sie belästigt haben«, sagte Goss zu Marge. »Wir wollten nur überprüfen, ob Sie irgendetwas wissen, Sie verstehen?« Marge versuchte, von ihnen fortzukommen. Er folgte ihr, kam ihr aber nicht mehr so nahe wie zuvor. Er ließ sogar zu, dass sie etwas Distanz schuf. Sie rang nach Atem. »Weil wir so erpicht darauf sind, herauszufinden, was der junge Billy im Schilde führt, weil wir dachten, er wisse alles, und dann dachten wir, er wisse nichts, und dann ist er einfach verschwunden, und wir dachten, dann muss er doch alles wissen. Aber ich weiß wirklich nicht, ob wir ihn finden können. Was ...« Er wackelte mit der Zunge. »... bedeutet, dass er vermutlich Mittel und Wege hat, um keine verkostbare Spur zu hinterlassen. Da fragte ich mich doch, ob ihr zwei miteinander geredet habt. Ob Sie vielleicht ein bisschen Zauber-Kunster-Schmu gebastelt haben. Ich schmecke nichts.« Marge atmete rasselnd ein.
    »Nun gut, passen Sie auf, wo Sie hingehen, wir machen uns wieder auf den Weg. Vergessen Sie, dass Sie uns je gesehen haben. Das ist nie geschehen. Ein guter Rat. Oh, es sei denn, Billy klingelt bei Ihnen, dann werden Sie uns doch informieren, nicht wahr? Danke, vielen Dank. Das wissen wir wirklich zu schätzen. Wenn er Kontakt zu Ihnen aufnimmt, und Sie vergessen, uns zu informieren, dann töte ich Sie mit einem Messer oder so. Einverstanden? Tschüss!«
    Dann, doch erst, nachdem der Mann und der Junge, es lässt sich nicht anders ausdrücken, davongeschlendert waren, erst, nachdem sie um eine Ecke außer Sicht gerieten, rannten die Leute, die sich in der Nähe aufgehalten hatten, zu Marge - auch die beiden, die ihre Rettungsmission aufgegeben hatten und nun beschämt, aber vor allem verängstigt aussahen - und fragten sie, ob alles in Ordnung sei.
    Ihr Adrenalinspiegel erreichte einen Höhepunkt, und Marge zitterte und vergoss ein paar posttraumatische Tränen, und sie war wütend auf jeden um sie herum. Nicht einer von ihnen hatte ihr geholfen. Rief sie sich aber Goss und Subby ins Gedächtnis, dann musste Marge sich eingestehen, dass sie das niemandem vorwerfen konnte.

28
    Eine Abordnung fetter Käfer wanderte über Mauerkronen und durch den Untergrund von Pimlico zu einer Werkstatt in Islington. Sie waren Tintenträger, kleine versklavte Dinger, experimentelle Untertanen, zeitweise beseelt von vergänglicher Magie als Teil der Arbeit eines Gelehrten, der an einem erschöpfenden Buch über eine Schule der Magie schrieb, dem Entomonomicon. Die Schreiberei des Mannes lag auf Eis, weil die Insekten, wenngleich individuell so dumpf wie

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