Der Krake
Mannes klang nun abgefeimt. »Ich werde einen irrsinnigen Betrag dafür hinlegen. Aber nur in Form von Barzahlung bei Lieferung. Das ist ein reines Erfolgshonorar. Überlegen Sie es sich. Ich kann Ihnen allerdings versprechen, dass der, der mir den Kraken bringt, nie wieder arbeiten muss. Und für Billy Harrow können Sie sich ein paar Jahre Freizeit verdienen.« Die Kamera schwenkte erneut durch den Saal. »Fragen?«
Der Swastikaträger im Mascara-Look simste einem Kameraden einen Satz Ausrufezeichen. Ein abtrünniger katholischer Priester fummelte an seinem Kragen herum. Eine Schamanin flüsterte mit ihrem Fetisch.
»Oh, Scheiße.« Die Stimme gehörte einem sanft aussehenden jungen Mann in einer abgetragenen Jacke, dessen Schießkünste die meisten Leute in Erstaunen versetzen würden. »Oh, Scheiße.« Er stürzte davon. Dieser Mann jagte mittels emphatischer Zielfindung, eine Fähigkeit, deren unerfreuliche Nebenwirkung in seinem Fall eine Allergie auf die Gier anderer Leute war (nicht jedoch, dafür dankte er der Vorsehung regelmäßig, auf seine eigene). Der Schwall an Käuflichkeit, der sich in diesem Moment über den Saal ergossen hatte, war so übermächtig, er hatte keine Chance, die Toilette vor dem Erbrechen zu erreichen.
32
»Das ist eine Liste von Leuten, die mir einen Gefallen schulden, die nicht in der Kirche sind und die mich nicht bescheißen werden«, sagte Dane. Es waren nicht viele Namen. Sie waren in einem Versteck untergekommen, das weit draußen in Zone vier lag und geheimnisvoll als verlassenes, ehemals besetztes Haus getarnt war. Dort warteten sie auf Wati.
»Was ist ein - heißt das hier ›Chamäleon‹?«, fragte Billy. »Bei dem Namen klingelt was ...«
Dane lächelte. »Jason. Das ist der, von dem ich gesprochen habe. Er wandert von Job zu Job. Er und ich, wir kennen uns schon lange.« Die Erinnerung entlockte ihm ein Lächeln. »Er wird uns helfen, sollte es nötig werden. Aber unser wichtigster Mann ist Wati, das steht außer Frage.«
»Wo ist diese Werkstatt, in die das Tattoo mich bringen lassen wollte?«, fragte Billy.
»Wozu wollen Sie das wissen? Kommen Sie jetzt etwa auf dumme Gedanken, Billy?«
»Was wäre denn dumm? Sie sind ein Kämpfer, richtig? Sie sind besorgt, das Tattoo könnte Ihren Gott in die Finger bekommen. Gibt es einen Grund, ihn nicht direkt anzugehen? Ich würde ihm zu gern alles Mögliche antun, da bin ich ganz ehrlich. Und Goss und Subby. Wir wollen das Gleiche, Sie und ich. Wenn wir diese Kerle fertigmachen, sind alle zufrieden. Bis auf die. Und genau darum geht es doch, oder?«
»Billy«, sagte Dane. »Wir werden Tattoos Unterschlupf nicht stürmen. Nicht ohne eine Armee. Erstens weiß ich nicht, wo er ist, jedenfalls nicht mit Sicherheit. Das war nur eine seiner Buden, aber man weiß nie, wo er oder seine Werkstatt gerade sein mögen. Zweitens sind da seine Wachleute. Das sind keine Leichtgewichte. Außerdem ist er eine der mächtigsten Personen in London. Jeder schuldet ihm einen Gefallen oder Geld oder das Leben oder irgendwas. Legen wir uns mit ihm an, handeln wir uns endlosen Ärger ein, selbst dann, wenn wir ihn erwischen, was wir nicht schaffen würden.«
»Hat er ...? Kann er ...?« Billy wedelte vieldeutig mit den Händen.
»Kunsten? Bei ihm geht es nicht um Kunsten: Bei ihm geht es immer nur um Geld, Verschlagenheit und Schmerz. Schauen Sie, jemand da draußen hat diesen Kraken, und niemand weiß wer. Das Einzige, was wir im Moment sagen können, ist, dass das Tattoo deswegen genauso fertig ist wie wir. Ich weiß, Sie wollen ... aber wir können unsere Zeit nicht damit vergeuden, ihn zu verfolgen. Außerdem ärgern wir ihn am meisten, wenn wir uns den Kraken holen. Tattoo ist als Jagdbeute zu groß für uns, tut mir leid. Wir sind nur zwei Kerle. Mit meinem Knowhow und Ihren Träumen.
Sie sollten anfangen, für uns zu träumen. Sie können nicht mehr so tun, als hätten die Träume nichts zu bedeuten: Was Sie sehen, ist real. Das wissen Sie. Der Krake erzählt uns etwas. Darum sollten Sie jetzt für uns träumen.«
»Was immer ich da träume«, sagte Billy vorsichtig, »ich glaube nicht, dass der Krake dafür verantwortlich ist.«
»Wer zum Teufel soll es denn sonst sein?« Dane hörte sich nicht verärgert an, eher flehentlich. »Jemand macht irgendwas mit ihm.« Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen.
»Kann man einen toten Gott foltern?«, fragte Billy.
»Natürlich kann man. Man kann einen toten Gott foltern. Man kann
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