Der Krater
über Derkweiler beklagt.
»Ich meine …« Derkweiler breitete mit einem Lächeln die Arme aus und ließ den Blick durch sein Büro schweifen. »Hier sitzen wir im wunderschönen Pasadena, Kalifornien, in der großartigen National Propulsion Facility. Machen wir hier Urlaub? Nein, machen wir nicht. Was machen wir dann hier, Corso? Wie heißt die Mission?«
»Die des Mars Mapping Orbiter oder der NPF im Allgemeinen?« Corso bemühte sich, eine neutrale Miene zu wahren.
»Die des MMO ! Wir sind hier kein Online-Game, Corso!« Derkweiler kicherte.
»Die Oberfläche des Mars zu erkunden, nach darunter gelegenen Wasservorkommen zu suchen, Mineralien zu analysieren, das Terrain zu kartografieren …«
»Ausgezeichnet. All das zur Vorbereitung auf zukünftige Marslandungen. Vielleicht haben Sie noch nichts davon gehört, dass wir uns in einem neuen Wettrennen ins All befinden – diesmal gegen die Chinesen?«
Corso war überrascht, das in so krassen Begriffen aus der Zeit des Kalten Krieges formuliert zu hören. »Die Chinesen sind nicht einmal in der Nähe der Startlinie.«
»Nicht an der Startlinie?« Derkweiler sprang beinahe vom Stuhl. »Ihr Hu-Jintao-Satellit ist nur noch ein paar Wochen von der Marsumlaufbahn entfernt!«
»Wir haben schon seit Jahrzehnten Orbiter auf einer Marsumlaufbahn, wir haben Sonden dort landen lassen, die Oberfläche mit Rovers erforscht …«
Derkweiler brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen. »Ich rede von den langfristigen Perspektiven. Die Chinesen haben den Mond übersprungen und steuern gleich den Mars an. Unterschätzen Sie ja nicht, wozu die in der Lage sind – vor allem, da die USA so zaghaft mit ihrem Raumfahrtprogramm sind.«
Corso nickte höflich.
»Und Sie spielen hier mit Gammastrahlen herum. Was haben irgendwelche verirrten Gammastrahlen mit der Marsmission zu tun?«
»Der MMO hat einen Gammastrahlungsdetektor«, entgegnete Corso. »Die Analyse dieser Daten gehört zu meinem Aufgabenbereich.«
»Dieser Detektor wurde im allerletzten Moment drangehängt«, erklärte Derkweiler. »Von Dr. Freeman, gegen alle meine Einwände und aus keinem erkennbaren Grund. Gammastrahlen waren Dr. Freemans kleines Steckenpferd. Hören Sie – ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Sie versuchen, das Chaos aufzuräumen, das Dr. Freeman hinterlassen hat, und die Prioritäten sind Ihnen noch nicht klar. Darf ich also vorschlagen, dass Sie sich an die Arbeit für die Mission halten – die Radardaten des SHARAD ?«
Corso bemühte sich, sein bestes Speichellecker-Lächeln aufzusetzen, nahm die Gammastrahlenunterlagen und steckte sie in den Umschlag zurück. Er würde mit Derkweiler auskommen, ganz gleich, was dazu nötig sein sollte. »Dann mache ich mich gleich an die Arbeit«, erklärte er forsch.
»Ausgezeichnet. Ihre erste Präsentation auf Führungsebene ist in einer Woche – ich möchte, dass Sie Ihre Sache gut machen. Der erste Eindruck und so weiter. Sie verstehen?«
»Ja. Vielen Dank.«
»Sie brauchen mir nicht zu danken. Es ist mein Job, Leuten auf die Zehen zu treten.« Ein weiteres Kichern.
»Natürlich.«
Als Corso sich zum Gehen wandte, sagte Derkweiler: »Da wäre noch etwas.«
Er drehte sich um.
»Das interessiert Sie vielleicht.« Er warf einen dünnen, gehefteten Stapel Papier so über den Schreibtisch, dass er vor Corso landete. »Das ist der abschließende Polizeibericht über den Mord an Dr. Freeman. Es war ein Einbrecher – sieht so aus, als wäre Dr. Freeman zum falschen Zeitpunkt nach Hause gekommen. Ein Haufen Zeug wurde gestohlen, eine Rolex, Schmuck, Computer … Ich dachte, Sie würden das vielleicht gern sehen. Ich weiß, dass Sie ihm nahestanden.«
»Danke.« Corso nahm die Unterlagen.
Er kehrte in sein Büro zurück, setzte sich an seinen Schreibtisch, legte Freemans alte Gammastrahlengrafik in eine Schublade und knallte sie zu. Freeman hatte ganz recht gehabt, Derkweiler war tatsächlich ein Chef, wie ihn nur die Hölle ausspucken konnte. Trotzdem, die Gammastrahlenanomalien, die er auf Freemans Festplatte gesehen und in der Arbeit weiterverfolgt hatte, waren verblüffend. Mehr als verblüffend. Freeman hatte auch da recht gehabt: Das könnte eine bedeutende Entdeckung sein, möglicherweise sogar explosiv. Je mehr er über die potenziellen Folgen nachdachte, desto mehr bekam er es mit der Angst zu tun. Er musste einfach nur den Kopf einziehen, die Daten aufbereiten und sie auf kühle, objektive Art präsentieren. Das würde Derkweiler vielleicht
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