Der Krater
aus und griff nach der Xbox. Der Fernseher zeigte noch das letzte Standbild. »Spielen Sie, Mark?«
Corso versuchte zu antworten, aber es drang nur ein Gurgeln aus seinem Mund.
Der Fremde legte den Schalter um, und das Spiel lief weiter. Er stellte lauter, bis die Lautstärke wahrhaft ohrenbetäubend wurde.
»Also, Mark«, sagte er über den Lärm hinweg und richtete die Waffe auf Corso. »Ich suche nach einer Festplatte, die Sie der NPF gestohlen haben. Das ist alles, was ich will, und wenn ich sie habe, gehe ich wieder. Wo ist sie?«
»Ich habe doch gesagt, ich will einen Anwalt.« Corso erstickte beinahe an seinen Worten, schluckte und versuchte, wieder richtig Luft zu bekommen.
»Du kapierst es wohl nicht, Arschloch. Ich bin nicht von der Polizei. Ich will die Festplatte. Gib sie mir, oder ich bringe dich um.«
Corsos Verstand rang mit der Neuigkeit. Kein Polizist? Hatte Chaudry ihm einen Killer auf den Hals gehetzt? Das war doch verrückt. »Die Festplatte?«, stammelte er. »Also gut, ja, ja. Ich sage Ihnen, wo sie ist, ich bringe Sie hin – kein Problem …«
Die Tür zum Wohnzimmer flog auf. »Was um alles in der Welt …«, schrie seine Mutter, die in der Küchenschürze dastand, ein Geschirrtuch in der Hand. Sie riss die Augen auf, als sie die Waffe sah.
»Aiii«
, kreischte sie und wich einen Schritt zurück. »Eine Pistole! Hilfe! Polizei!
Hilfe!
«
Der Mann wirbelte herum, und Corso sprang auf, um seine Mutter zu schützen, aber es war zu spät. Der Schuss löste sich mit einem gedämpften
Plopp
, und er musste fassungslos und von Grauen erfüllt mit ansehen, wie seine Mutter von der Kugel nach hinten geschleudert wurde. Blut spritzte an die Wand hinter ihr. Mit aufgerissenen Augen taumelte sie rücklings gegen die Wand, verlor einen Schuh und kippte ungelenk zu Boden.
Mit einem ursprünglichen Schrei existenzieller Wut riss Corso die erstbeste Waffe hoch, die er erreichen konnte, eine Lampe vom Beistelltisch, und schlug damit nach dem Mann. Der duckte sich zur Seite, und die Lampe zerbrach an seiner Schulter. Der Mann wankte mit erhobener Waffe rückwärts.
»Nein!«, rief er. »Sagen Sie mir nur, wo die Festplatte –«
Brüllend wie ein Bär stürzte Corso sich auf ihn, packte mit beiden Händen seinen Hals und versuchte, ihn zu erwürgen. Mark spürte, wie ihm die Waffe gegen den Bauch gedrückt wurde; es gab einen plötzlichen scharfen Schlag und noch einen, der ihn rücklings gegen die Wand stieß, und dann lag er irgendwie mit seiner Mutter auf dem Boden, und alles wurde friedlich und still.
50
A ls sie in Princeton studiert hatte, war Abbey mehrmals mit Freundinnen nach New York City gefahren, aber sie hatten sich immer nur in Manhattan aufgehalten. Nun stand sie am Rand des Monsignor McGolrick Park in Brooklyn, Regen tropfte vom Rand ihres Schirms, und sie erkannte, dass dies ein New York war, das sie noch nie gesehen hatte – ein echtes Arbeiterviertel mit bescheidenen Apartmenthäusern, PVC -verkleideten Reihenhäusern, »Schlüssel und Gravuren«-Lädchen, Reinigungen und kleinen Lokalen.
»Driggs Avenue siebenundachtzig«, sagte Abbey und warf einen Blick auf einen feuchten Stadtplan. »Muss die Straße auf der anderen Seite des Parks sein.«
»Dann los.«
Zwei Tage zuvor hatte Abbey die ehemaligen NPF -Angestellten durchtelefoniert und hatte mit einem Techniker namens Mark Corso einen Volltreffer gelandet. Sie hatte sich als Journalistin ausgegeben, die einen Artikel über die unfaire Personalpolitik des Instituts schrieb, und ihn damit richtig zum Reden gebracht. Er war nicht nur stinksauer, weil er gefeuert worden war, sondern geradezu begierig darauf, die dunkelsten Geheimnisse der NPF preiszugeben – behauptete er jedenfalls. Er hatte angedeutet, er sei im Besitz brandheißer Informationen, die »die NPF vom Hocker hauen« würden.
Sie eilten durch den Park, überquerten die Straße und hielten in der Reihe identischer brauner Backsteinhäuser auf ein bestimmtes zu, das nass verfärbt und mit geschlossenen Vorhängen dastand. Sie gingen die Stufen vor dem Haus hinauf, und Ford klingelte an der Tür. Abbey hörte das Klingeln drinnen einsam widerhallen. Sie warteten lange. Er klingelte erneut.
»Sind Sie sicher, dass er vier Uhr gesagt hat?«
»Absolut«, antwortete Abbey.
»Vielleicht hat er es sich anders überlegt.«
Abbey fischte in ihrer Jackentasche nach dem Handy, das Ford ihr gegeben hatte, und wählt Corsos Handynummer.
»Hören Sie das?« Sie vernahm
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