Der Krater
Der Raum war heiß und stank nach Schweiß.
»Dr. Winston Derkweiler?«, schnappte Ford.
»Ja?«
»Ich bin von der Agency«, sagte Ford und wies mit einem Nicken auf Abbey. »Meine Assistentin.«
Derkweiler sah sie an, dann wieder ihn. »Agency? Was für eine Agency?«
»Vor etwa einem Monat«, fuhr Ford fort, als hätte er ihn nicht gehört, »wurde einer Ihrer Wissenschaftler ermordet.«
»Das stimmt«, sagte Derkweiler, »aber ich dachte, der Fall sei abgeschlossen.«
Ford wandte sich Abbey zu. »Ms. Straw, würden Sie bitte die Tür schließen?«
»Ja, Sir.« Abbey schloss die Tür und drehte obendrein noch den steckenden Schlüssel um.
»Der Mordfall vielleicht, aber wegen der Verletzung der Datensicherheit wird noch ermittelt.«
Derkweiler nickte. »Verletzung der … Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
»Sagen wir einfach, Dr. Freeman war indiskret.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Ich bin froh, dass Sie das Problem gleich erfasst haben, Dr. Derkweiler.«
»Danke.«
Ford lächelte. »Man hat mir gesagt, ich könne auf Ihre Unterstützung zählen. Also, ich hätte gern eine Liste der Angestellten in Ihrer Abteilung.«
Derkweiler zögerte. »Nun, da wir gerade von Sicherheitsvorschriften sprechen, ich … müsste vorher Ihre Dienstmarke oder einen Ausweis sehen.«
»Natürlich! Entschuldigung.« Ford zückte einen recht abgegriffenen Dienstausweis, auf dem Abbey ein Emblem in Blau, Weiß und Gold mit der Aufschrift Central Intelligence Agency erkennen konnte.
»Oh,
diese
Agency«, sagte Derkweiler.
Der Dienstausweis verschwand rasch wieder in Fords Anzug. »Das muss unter uns bleiben – verstanden?«
»Selbstverständlich, verstehe vollkommen.« Derkweiler kramte in seinen Akten, holte ein Blatt Papier heraus und reichte es Ford. »Hier, bitte: sämtliches Personal meiner Abteilung – Namen, Titel, Kontaktinformationen.«
»Und ehemalige Mitarbeiter?«
Derkweiler runzelte die Stirn und kramte in weiteren Akten herum. »Hier ist eine Liste vom vergangenen Quartal. Wenn Sie Unterlagen brauchen, die weiter zurückreichen, schlage ich vor, Sie wenden sich direkt ans Personalbüro.«
Binnen fünf Minuten hatten sie das Gebäude verlassen und waren wieder auf dem riesigen Parkplatz daneben. In ihrem Mietwagen war es entsetzlich heiß, der Sitz fühlte sich an wie eine Grillplatte. Abbey war noch nie in Südkalifornien gewesen und hoffte, niemals hierher zurückkehren zu müssen. Wie ertrugen die Leute bloß dieses Wetter? Da war ihr Maine im Januar lieber.
Ford ließ den Wagen an, und die Klimaanlage stieß einen Schwall heißer Luft aus. Abbey sah ihn mit schmalen Augen an. »Gut gemacht, Special Agent Ford.«
»Danke sehr.« Ford zog die Listen, die Derkweiler ihm gegeben hatte, aus der Tasche und gab sie ihr. »Suchen Sie mir einen verärgerten ehemaligen Angestellten, möglichst einen, der gefeuert wurde.«
»Glauben Sie, die vertuschen etwas?«
»An so einer Institution wird immer irgendetwas vertuscht. Das liegt in der Natur der Sache. Alle großen bürokratischen Organisationen, ganz gleich, was sie tun, arbeiten darauf hin, Informationen zu kontrollieren, ihr Budget zu erweitern und sich selbst zu erhalten. Falls die irgendetwas Ungewöhnliches auf dem Mars gefunden haben, können Sie darauf wetten, dass sie es verstecken. Gott sei Dank gibt es immer irgendeinen verstimmten ehemaligen Mitarbeiter – niemand tut mehr für die Offenheit der Regierungsarbeit in einer Demokratie.«
49
M ark Corso betrat sein trübseliges Elternhaus, ging den Stapel Post auf dem Tischchen im Flur durch, warf ihn angewidert zurück und ging ins Wohnzimmer. Er ließ sich aufs Sofa fallen und schaltete die Xbox an, auf der
Resident Evil
5
lief. In einer Stunde musste er zu Moto’s zur Arbeit gehen und hatte bis dahin noch Zeit totzuschlagen.
Als das Spiel losging, erbebte das kleine Wohnzimmer unter dem Lärm von Schüssen, Explosionen und zerreißendem Fleisch. Er spielte zehn Minuten lang, aber es lenkte ihn nicht ab. Er schaltete auf Pause, stellte die Konsole beiseite, und Stille breitete sich aus. Es machte ihm einfach keinen Spaß mehr, er kam nicht wieder rein. Nicht solange seine Entdeckung noch in der Luft hing und er auf Marjorys Anruf wartete, wartete und wartete. Er hatte entschieden, die Festplatte gleich morgen früh zur
Times
zu bringen.
Seit seinem Anruf bei Marjory waren zwei Tage vergangen, und seither ermahnte sie ihn nur, sich bedeckt zu halten. Vielleicht wollte sie damit
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