Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
Vom Netzwerk:
Verwirrenderes – er spürte, daß weit entfernt, ganz weit entfernt ein einzelnes Herz flatterte und schließlich ganz stehenblieb.
    Es zerriß ihn, es entsetzte ihn – weit mehr als dieser Lichtblitz oder das Gestöhn der Erde.
    Im Sattel schwankend sprach er leise: »Vater.«
    Irgendwie befürchtete Gaborn, daß sein Wunsch, Raj Ahten einen Schlag zu versetzen, den Tod seines Vaters verursacht hatte.
    Es war nicht Wille der Erde gewesen, zuzuschlagen. Gaborn hatte keinen Zwang verspürt, der stärker war als seine Wut.
    Und doch hatte er den Befehl gegeben.
    Nein, dachte Gaborn. Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, daß ich seinen Tod verursacht habe. Wie kann ich wissen, daß er nicht mehr lebt, bevor ich es nicht gesehen habe?
    Der Zauberer Binnesman drehte sich zu Gaborn um, endlose Traurigkeit in den Augen, und sagte leise: »Ihr habt nach Eurem Vater gerufen. Er ist also gestorben?«
    »Ich… ich weiß es nicht«, sagte Gaborn.
    »Benutzt den Erdblick. Ist er gestorben?«
    Gaborn grub in seinem Innern, versuchte seinen Vater zu erreichen, spürte aber nichts. Er nickte.
    Binnesman sprach so leise, daß nur Gaborn es hören konnte.
    »Damit wird der Königsmantel weitergereicht. Bis jetzt seid Ihr nur ein Prinz gewesen. Jetzt müßt Ihr ein wahrhaftiger König werden.«
    Gaborn sackte im Sattel nach vorn, ihm war bis auf den Grund seiner Seele schlecht. »Wenn ich der Erdkönig bin, was kann ich dann Gutes tun?«
    »Vieles. Ihr könnt die Erde zu Hilfe rufen«, erklärte Binnesman. »Sie kann helfen, Euch zu beschützen. Euch verstecken. Ihr müßt nur lernen, wie man das anstellt.«
    »Ich will Raj Ahtens Tod«, meinte Gaborn ausdruckslos.
    »Die Erde tötet nicht«, antwortete Binnesman leise. »Ihre Stärke liegt darin, das Leben zu erhalten, zu beschützen.
    Außerdem wird Raj Ahten von anderen Mächten unterstützt.
    Ihr müßt nachdenken, Gaborn. Wie könnt Ihr Euer Volk am besten schützen? Die ganze Menschheit ist in Gefahr, nicht nur die paar in Longmot. Euer Vater ist nur ein einzelner Mann, und ich fürchte, er hat selbst beschlossen, sich in Gefahr zu bringen.«
    »Ich will Raj Ahtens Tod! Sofort!« schrie Gaborn, nicht an Binnesman, sondern an den Erdgeist gerichtet, der versprochen hatte, ihn zu beschützen. Aber er wußte, daß es nicht die Schuld des Erdgeists war. Er hatte eine düstere Vorahnung gehabt, daß sich sein Vater in Gefahr begab. Doch hatte er diese Warnung in den Wind geschlagen und seinen Vater nicht von Longmot ferngehalten.
    Gaborn fühlte sich bis auf den Grund seiner Seele miserabel.
    Er war zwanzig Meilen von Longmot entfernt. Sein Kraftpferd konnte diese Entfernung in weniger als einer halben Stunde zurücklegen. Aber was würde ihm das einbringen? Er würde sein Leben verlieren.
    Er spielte mit dem Gedanken, seinem Pferd trotzdem die Sporen zu geben.
    Iome neben ihm schien seine Gedanken zu lesen. »Tu es nicht«, sagte sie leise. »Geh nicht.«
    Gaborn sah auf den Boden. Zu den Füßen seines Pferdes flogen grasgrüne Grashüpfer erschrocken auf, fette Grashüpfer, die mit dem Ende des Herbstes träge geworden waren.
    »Können wir den Menschen in Longmot helfen, was meint Ihr?« fragte Gaborn Binnesman.
    Der Zauberer zuckte die Achseln. Sein Gesicht bekam einen besorgten Ausdruck. »Ihr helft ihnen bereits – mit dieser Kriegslist. Aber glaubt Ihr, Ihr könnt Raj Ahten besiegen?
    Nicht mit diesen Truppen. Die Schlacht geht schlecht für Longmot aus – wie sie auch schlecht für Euch ausgehen würde, wenn Ihr zu früh angreift. Eure Stärke liegt nicht im Niedermetzeln, sondern in Eurer Rolle als Verteidiger. Laßt Eure Leute beim Gehen noch mehr Staub aufwirbeln. Dann werden wir sehen, was passiert…«
    Zwei lange Minuten ritten sie in fast greifbarem Schweigen weiter. Gaborn fühlte sich während der ganzen Zeit zerrissen, dem Tod geweiht. Er gab sich selbst die Schuld am Tode seines Vaters, am Tode Rowans, am Tode aller Übereigner auf Burg Sylvarresta. Die Welt zahlte einen solchen Blutzoll, einen so hohen Preis für seine Schwäche. Denn er war sicher, wäre er stärker, hätte er nur eine Kleinigkeit anders gemacht, sich nach links anstatt nach rechts gewandt, dann hätte er sie alle retten können.
    Ein seltsames Geräusch hallte über das Heideland heran – ein einzelner Ton, ein Schrei, wie ihn Gaborn noch nie gehört oder sich vorgestellt hatte. Er hallte über die Ebene wie ein Ruf aus weiter Ferne.
    Raj Ahtens Todesschrei! dachte er.
    Doch fast

Weitere Kostenlose Bücher