Der Kreis aus Stein
stützte er sich auf und blickte über das hügelig abfallende Gelände des Tor Loman hinunter zur Burg Longmot.
Was er sah, füllte ihn mit Entsetzen.
Hinter einem Schleier von Regen oder Graupel tobte auf dem Hang oberhalb von Longmot ein Feuer. Flammenweber und Salamander
hatten
diesem
jenseitigen
Feuer
eine
furchterregende Energie entzogen und schleuderten Blitze über das grasbewachsene Hügelland gegen die Burg. Frowth-Riesen traben über die Wiesen und schleppten gewaltige Sturmleitern herbei. Die Kriegsmastiffs mit ihren Halsbändern aus Eisen und grimmigen Masken brandeten wie eine dunkle Flut gegen die Tore.
Von überall her rannten Raj Ahtens Unbesiegbare wie Kakerlaken in der Dunkelheit gegen die Burg an, die Schilder hochgerissen, um Pfeile abzuwehren, die Waffen blank gezogen.
Raj Ahtens Truppen waren dabei, Longmot zu erstürmen.
Der Himmel über der Burg war schwarz, verdrehte Feuerstränge schossen trichterförmig aus dem Himmel.
König Orden verfolgte es von Tor Loman aus. Aufgrund seiner Gaben des Stoffwechsels erschien es ihm, als sei der Himmel bereits seit Minuten schwarz. Man konnte nur die dünnen Feuerstränge erkennen, die sich aus dem Himmel wanden – verdreht und peitschend wie die Winde in einem Wirbelsturm.
Er konnte nichts tun, um zu helfen. Er konnte sich nicht in die Schlacht werfen, konnte kaum kriechen.
Er fing leise an zu schluchzen. Raj Ahten hatte ihm alles genommen – seine Vergangenheit, seine Gegenwart. Und jetzt seine Zukunft.
Mendellas wandte sich im Dunkeln um und kämpfte sich unter Schmerzen die grobe Steintreppe zu den Augen des Tor Loman hinauf.
Um die quälenden Schmerzen seiner zerstörten Glieder aus seinen Gedanken zu verbannen, versuchte er, an gute Zeiten zu denken. Die Festmahle in seinem Palast in Mystarria zur Wintermitte, am Almosentag.
Stets stand an jenen Wintermorgen der Nebel über den grünen Niederungen, und von den Fialen des großen Turms aus konnte man über das Marschland blicken, als sei man ein Lord des Himmels in einem Wolkenschiff – so rein war der hauchfeine Nebel. Stellenweise konnte man kleinere Türme des Tidenhofs erkennen, oder das Grün der fernen Fichtenwälder auf den Bergen im Westen, oder im Süden das glitzernde Wasser des Carollmeeres, das den Himmel widerspiegelte.
An solchen Morgen hatte er immer gerne auf seinem Observatorium im Turm gestanden und die Gänse auf ihrer Winterwanderung beobachtet, die unter ihm als dunkles V
vorüberflogen.
Er rief sich die Erinnerung an einen perfekten Tag vor langer Zeit ins Gedächtnis, als er im Morgengrauen gestärkt von seinem Turm herabgestiegen und zum Schlafgemach seiner Frau gegangen war.
Er hatte vorgehabt, sie ins Observatorium mit hinaufzunehmen und ihr den Sonnenaufgang zu zeigen.
Wochen zuvor hatte ein früher Frost die Rosen in ihrem Garten absterben lassen, und er hatte ihr zeigen wollen, wie die Sonne langsam im zartesten bläulichrosa Farbton über den Horizont kletterte, einem Farbton, der den Nebel im Umkreis von Meilen färbte.
Doch als er in ihr Schlafgemach kam, hatte sie über sein Ansinnen bloß gelächelt und sich einen anderen Zeitvertreib ausgedacht.
Sie hatten sich auf dem Tigerfell vor dem Kamin geliebt. Als sie fertig waren, stand die Sonne bereits seit Stunden hoch am Himmel. Die Armen Mystarrias hatten sich in den Straßen vor der Burg versammelt, um die Winteralmosen in Empfang zu nehmen.
Daher waren König und Königin gezwungen gewesen, am Nachmittag das Haus zu verlassen und den Rest des Tages in riesigen Wagen durch die Straßen zu fahren und dabei Fleisch, Pastinaken, Trockenfrüchte und Silber an die Bedürftigen zu verteilen.
Orden und seine Frau hatten oft angehalten, um jemanden anzulächeln oder sich berühren zu lassen.
Er hatte seit Jahren nicht mehr an diesen Tag gedacht, obwohl jeder Eindruck, jedes Geräusch und jeder Geruch ihm perfekt im Gedächtnis geblieben war. Dank seiner zwanzig Gaben der Geisteskraft konnte er solche Augenblicke nach Belieben wieder aufleben lassen. Es war ein Tag voller Magie gewesen – jener Tag, wie er Wochen später herausfand, an dem er seine Frau mit ihrem ersten Kind, Gaborn, schwängerte.
Wie sehr er sich noch immer nach ihr sehnte.
Als Orden die Spitze der Augen des Tor Loman erreichte, kehrte die Helligkeit in den Himmel zurück, und er starrte voller Grauen auf den gewaltigen Meteor, den Raj Ahtens Bestie gegen die Burg schleuderte. Der Himmel war wie von seltsamen Farbpulvern
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