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Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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seines Pferdes aus warf Gaborns Vater einen Blick zurück über das Tal, so als sähe er die lebenden Ritter, die auf ihren Feldern lagerten, zum allerersten Mal. Einen halben Herzschlag lang öffnete sich entsetzt sein Mund, als erinnere er sich an sein sterbliches Leben oder als hätte er gerade an einen sorgenschweren Traum gedacht. Dann klärte sich sein Blick, und er lächelte breit. Die Welt der Sterblichen ging ihn nichts mehr an.
    Er wendete sein Pferd und galoppierte in den Wald hinein.
    Dann war er verschwunden.
    Verschwunden für immer, wie Gaborn erkannte, bis ich mich zu ihm geselle.
    Er merkte, daß er weinte, nicht aus Kummer oder Freude, sondern voller Staunen. Als sein Vater im letzten Jahr mit ihm während der Jagd im Dunnwald sein Lager aufgeschlagen hatte, da hatte er erzählt, die Könige von Mystarria und Heredon brauchten die Geister des Dunnwalds nicht zu fürchten. Jetzt verstand Gaborn warum.
    Die Geister des Dunnwalds, das sind wir, erkannte er.
    Doch als die große Menschenmenge kehrtmachte und wieder im Wald zu verschwinden begann, blieb ein Reiter zurück.
    Erden Geboren starrte eine volle Minute lang durchdringend in Gaborns Richtung, dann gab er seinem Pferd die Sporen.
    Er sieht mich. Er sieht mich, stellte Gaborn fest, während Erden Geboren in einem einzigen Herzschlag, so kam es ihm vor, über das grasbewachsene Hügelland hinwegflog und nur Sekunden später persönlich im Sattel vor ihm auftauchte und auf ihn herabblickte.
    Gaborn schaute hoch in das Gesicht des Wichts. Er hatte seinen Schild in der Hand, trug eine Rüstung aus grünem Leder. Sein Helm war ein einfaches, rundes Ding uralter Machart.
    Er blickte Gaborn tief und anerkennend in die Augen.
    Gaborn hatte sich Erden Geboren jung vorgestellt, wie in den Liedern aus alter Zeit: edel und tapfer. Doch er war ein alternder Mann, der längst die Blüte seiner Jahre hinter sich hatte.
    Erden Geboren deutete auf den Boden zu Gaborns Füßen, und Gaborn sah nach unten, um zu sehen, wohin er zeigte.
    Indes er das tat, begann trockenes Eichenlaub im Gras zu rascheln und geriet dank einer leichten Brise in Bewegung, wurde wie in einem Wirbelwind nach oben gesogen, dann plötzlich stieg es in die Höhe, verflocht die Stiele miteinander und verfing sich dann in seinem frischgekämmten Haar.
    Ein überraschtes Stöhnen ging durch die Reihen der Männer und Frauen aus Heredon auf dem gesamten Hügelland ringsum.
    Erden Geboren hatte Gaborn mit dem Blätterkranz gekrönt.
    Es war das uralte Symbol von Mystarria, das Zeichen des Erdkönigs.
    Doch nur ein einziger Mann aus der gewaltigen Menschenmenge, die dort zusammengekommen war, wagte von den Feldern unten heraufzurufen: »Heißt alle den neuen König der Erde willkommen!«
    Gaborn schaute hoch und blickte in die Augen des Geisterkönigs Erden Geboren, und plötzlich wurde ihm etwas klar. Er konnte diese Geister befehligen. Er hätte sie die ganze Zeit schon befehligen können. Zornig sagte er: »Wenn Ihr mich zu Eurem König macht, dann befehle ich Euch und Euren Legionen, alles zu tun, was in Eurer Macht steht, um diese Wälder zu beschützen. Raj Ahten hat hier viele Leben genommen. Seht zu, daß er nicht noch mehr raubt.«
    Erden Geboren nickte ernst und feierlich, dann wendete er sein bleiches Pferd und ritt über die Felder. Sein riesiges Pferd sprang über Zäune und Hecken, und er zog sich in den Dunnwald zurück.
    Augenblicke später erschollen die fernen Klänge des Jagdhorns plötzlich laut, dann, als die Kreaturen aufbrachen, verhallten sie ein weiteres Mal in der Feme.
    Alle starrten Gaborn sprachlos an. Viele wirkten besorgt, so als seien sie nicht sicher, was hier geschehen war oder nicht gewillt, es zu glauben. Andere staunten einfach offenen Mundes. Es hieß, daß die alten Könige den Dunnwald befehligten, daß der Wald ihnen diente. Jetzt verstand Gaborn, daß es die Geister des Waldes waren, die seinen Vorvätern gedient hatten – und nun hatte er es gewagt, sie zu befehligen.
    Er getraute sich fast nicht zu atmen, denn er wußte, was immer er an diesem Tag sagte, würde allen in Erinnerung bleiben.
    Iome schaute mit glitzernden Tränen in den Augen zu ihm auf. Er hielt ihre Hand bereits, jetzt aber drückte sie fest seine Finger, ihre rechte Hand in seiner Linken. Und dann hob sie ihre Hand in die Höhe. In beiden Königreichen wurde eine Vermählung unter armen Leuten auf ähnliche Weise besiegelt: der Mann und die Frau, die heiraten wollten, standen

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