Der Kreis aus Stein
Männern seiner Stimmgewalt erliegen, werden euch meine Ritter über die Burgmauern werfen. Wir werden nicht zulassen, daß Kinder den Kampf von Männern stören. Mögen die Mächte mit uns sein!«
Nachdem er zu Ende gesprochen hatte, rissen sechstausend Mann die Arme in die Höhe und jubelten: »Orden! Orden!«
Er richtete den Blick über die Mauern nach draußen. Er wußte, seine Warnung, vorgetragen mit der ganzen Wucht seiner Stimmgewalt, würde auf seine Männer große Wirkung haben. Er hoffte nur, daß Raj Ahten nicht in der Lage war, den Zauber aufzulösen, den seine Worte gesponnen hatten.
Er spürte die kalte Luft, die vom Horizont über den Dunnwald heranwehte. Es sah nach Schnee aus. Aber wo blieb Gaborn?
KAPITEL 14
Junge Burschen unterwegs
Myrrima hockte auf der Ladefläche eines klapprigen Karrens, als das Pferdegespann an jenem frühen Morgen die Straße entlang eilte. Schwankend und knarrend folgte der Karren der Spur. Seit sie die Felder in der Nähe Bannisferres verlassen und den Dunnwald erreicht hatten, war es noch unbequemer geworden, denn dicke Wurzeln zogen sich quer über die Straße und sorgten immer wieder für harte Stöße.
Sie war nur einer von zehn Passagieren aus Bannisferre. Die anderen waren junge Bauernburschen, die mit nichts als ihren Bögen bewaffnet von Vergeltung für die Morde träumten, die man an ihren Familien in den letzten Wochen begangen hatte.
Nicht einmal der Karren gehörte einem von ihnen, sondern er war nur von Bauer Fox oben an der Straße zur Stadt ausgeliehen. Diese jungen Burschen hatten keine eigenen Pferde, um in den Krieg zu ziehen.
Aber sie hörten sich an wie die tapferen Söhne von Edelleuten. Reden konnten sie. »Ich schnappe mir einen Unbesiegbaren und mach ihn fertig«, meinte einer der jungen Burschen, Hobie Hollowell. Er war schlank und kräftig, hatte weizenblondes Haar und blaue Augen, die jedesmal aufleuchteten, wenn er zu Myrrima hinübersah. Vor nicht allzuvielen Wochen hatte sie noch gehofft, ihn zu heiraten.
»Ach, mit deinem Bogen triffst du sowieso nichts«, lachte Wyeth Able. »Deine Pfeile sind genauso krumm wie dein Augenmaß.«
»Ich hab nicht vor, ihn mit Pfeilen fertigzumachen«, lachte Hobie. »Ich werde warten, bis jemand die Burgmauern hochklettert, und dann schmeiße ich ihm deinen fetten Kadaver auf den Kopf! Das macht ihn sicher platt, und deinem weißen Arsch wird kein Haar gekrümmt.«
»Ha, als könntest du mich über die Mauer wuchten«, meinte Wyeth, zog seinen Hut ab und schlug Hobie damit. Wyeth war ein stämmiger Junge, dessen Schicksal es war, ebenso breit wie hoch zu sein. Und dann legten die Jungs los und balgten sich lachend im Karren.
Myrrima lächelte verhalten. Sie wußte, daß die Späße ihr galten, daß sie alle um ihre Aufmerksamkeit buhlten. Die meisten von ihnen kannte sie schon ihr Leben lang, aber seit sie ihre Gaben der Anmut bekommen hatte, hatte sich ihr Verhältnis dramatisch verändert. Jungs, die sie früher einfach nur für irgendein ausgesetztes Balg gehalten hatten, lächelten jetzt schüchtern und vergaßen in ihrer Gegenwart ihre Manieren, wenn nicht gar ihren Namen.
Eigentlich schade, daß ihre Schönheit zu einem Hindernis im ganz normalen Umgang geworden war. Das hatte sie nicht gewollt.
Wyeth rang Hobie ohne große Mühe nieder und grinste Myrrima dann um Anerkennung heischend an.
Sie nickte freundlich, lächelte.
Die letzten Meilen nach Longmot führten durch grasbewachsene Hügel, wo Eichen ihre Äste ausbreiteten. Sie fühlte sich nach der langen Fahrt sehr müde. Die Pferde, die den Karren zogen, waren keine Kraftpferde, aber sie waren ein kräftiges Gespann, das gewohnt war, zusammenzuarbeiten, genau wie die Jungen.
Als sie Longmot erreichten und die langen, hohen Mauern und verheißungsvollen Türme erblickten, wünschte Myrrima sich fast, sie wäre nicht hergekommen. Es tat weh, die Zerstörung zu sehen, die das Land überzog, die rußgeschwärzten Ruinen der Stadt vor der Burg, die niedergebrannten Bauernhäuser überall auf dem grünen Hügelland. Die Berge im Norden und Nordwesten von Longmot waren noch Teil des Dunnwaldes, standen voller Eichen, Eschen und Fichten. Doch die Hügel südlich der Burg wogten dahin wie gewaltige, sanfte Wellen. Dort gab es Weiden, Obstgärten, Weinfelder und Gärten.
Feldbegrenzungen aus übereinandergeschichteten Steinen oder Hecken aus störrigem Domengestrüpp unterteilten das Land in Quadrate und Rechtecke von unterschiedlicher
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