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Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Zwanzig Gaben?
    Der Lebenszeit nach war Orden Mitte dreißig, wenn er jedoch nach Gründung seiner Familie die übliche Gabe Stoffwechsel übernommen hatte, müßte sein Körper bereits fünfundvierzig sein. Selbst ein Dutzend Gaben des Durchhaltevermögens konnten
    die
    Auswirkungen
    seines
    fortschreitenden
    Alterungsprozesses nicht mildern. Also besaß er vermutlich Gaben der Muskelkraft, der Anmut, des Durchhaltevermögens und der Geisteskraft, die seinem Altern entgegenwirkten.
    Raj Ahtens Spione berichteten, Orden habe vor Jahren mehr als einhundert Gaben zu Buche stehen gehabt. Wieviel mehr als einhundert, konnte Raj Ahten nur raten. Auf jeden Fall war Orden ein würdiger Gegner.
    Wie viele Gaben des Stoffwechsels mochte er also übernommen haben? Fünf? Nein, das wäre zuwenig. Fünfzig?
    Das wäre sein sicherer Tod. Er würde innerhalb eines Jahres altern und verwelken. Raj Ahten brauchte nicht einmal heute zu kämpfen. Er konnte seine Truppen über den Winter einfach zurückziehen, und Orden würde altern. Im Frühjahr wäre er ein schwachsinniger Greis.
    Es hieß, zu Zeiten Harridans des Großen habe der Bote Marcoriaus so schnell sein müssen, um Kunde von der bevorstehenden Schlacht bei Polypolus zu überbringen, daß er einhundert Gaben des Stoffwechsels übernommen hatte – genug, um barfuß über das Carollische Meer zu laufen und sich nur auf die Oberflächenspannung des Wassers zu verlassen, um oben zu bleiben. Marcoriaus war innerhalb von drei Monaten gestorben.
    Die Vorstellung einer so ungeheuren Geschwindigkeit war für gewisse Männer natürlich von Reiz. Raj Ahten wußte allerdings, daß eine solche Geschwindigkeit eine große Gefahr barg. Ein Runenlord, der sich zu plötzlich, zu abrupt bewegte, konnte sich ein Bein brechen. Die Kraft der Trägheit eines Gegenstandes war zu groß. Man brauchte eine große Menge Geisteskraft und Anmut, um zu lernen, wie man seine Bewegungen beherrschte.
    Nein, Orden mußte zwischen zehn und zwanzig Gaben des Stoffwechsels übernommen haben, entschied er.
    Raj Ahten mußte ihm natürlich mindestens ebenbürtig sein.
    Oder, überlegte er, ich könnte Gaben des Stoffwechsels übernehmen und meine Übereigner anschließend töten.
    Diese Taktik hatte er schon einmal angewandt. Um jedoch den
    rechten
    Kampfgeist
    bei
    seinen
    Männern
    aufrechtzuerhalten, hatte er dafür gesorgt, daß keine Zeugen überlebten.
    »Ruft zwölf der Unbesiegbaren zu mir, die die meisten Gaben des Stoffwechsels besitzen«, befahl er Hepolus, seinem Obersten Annektor. »Ich brauche sie.«
    Die Annektoren verließen das Zelt, kamen einige Minuten darauf zurückgeeilt und brachten die gewünschten Unbesiegbaren mit – Elitesoldaten und Meuchelmörder, die jeder wenigstens drei Gaben des Stoffwechsels besaßen. Es waren sämtlich große Männer mit kräftigem Körperbau, so daß sie die Belastung großer Muskelkraft und schnellen Stoffwechsels verkrafteten. Und sie waren stark an Geisteskraft und Anmut. Er würde jeden einzelnen von ihnen schmerzlich vermissen.
    Raj Ahten kannte seine Männer gut. Der Mann, den er am wenigsten schätzte, war Salim al Daub, ein alter Leibwächter, der mehrere Male befördert worden war, obwohl er als Meuchelmörder eine Enttäuschung gewesen war. Zweimal war er ausgezogen, um Prinz Orden umzubringen, und zweimal war er nur mit den Ohren von Frauen und Kindern zurückgekehrt.
    »Danke, daß Ihr gekommen seid, meine Freunde«, begrüßte Raj Ahten sie, nachdem er seine Wahl getroffen hatte. »Ihr alle habt mir viele Jahre lang tapfer gedient. Ich bitte Euch jetzt, mir noch einmal zu dienen, denn ich brauche Eure Gaben des Stoffwechsels. Ihr, mein Freund, Salim, werdet die Ehre haben, mir als Vektor zu dienen.«
    Die Worte kamen Raj Ahten so süß wie kandierte Datteln über die Lippen. Die Männer konnten der Kraft seiner Stimmgewalt nicht widerstehen. Die Annektoren zogen die Zwingeisen hervor.
    Ein kalter Wind von Süden bauschte die Seidenwände von Raj Ahtens Zelt.

KAPITEL 19
    Ein kalter Wind
    on der anderen Seite des Schlachtfeldes, aus dem riesigen Vköniglichen Zelt, in das Raj Ahten hineingegangen war, hörte Orden schwach die Sprechgesänge der Annektoren, die vom kalten Wind herübergeweht wurden. Sie waren so leise, daß vielleicht niemand sonst auf den Mauern sie wahrnehmen konnte. Orden gelang es auch nur deshalb, weil er sich darauf konzentrierte, die Stimmen unter dem Gesang des Windes herauszuhören, der rauschend durch die Grashalme auf den

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