Der Kreis aus Stein
zertrümmerte, dann konnte das Gewicht des über ihn stürzenden Tieres ihn zerquetschen.
Es gelang ihm, die Hand auszustrecken und sich langsam vom Boden abzustemmen, als er auf diesen zuflog, und sich klein zu machen, so daß er sauber über das Gras rollte, fort von seinem Pferd.
Doch das Manöver hatte seinen Preis. Denn als er sich umdrehte, blieb ein grellrot gestrichener Pfeil im Schlüsselbein gleich über dem Rand der Rüstung stecken, und ein weiterer traf ihn im Oberschenkel.
Raj Ahten krabbelte von seinem stürzenden Pferd fort, blickte hinauf zu den grimmigen Soldaten auf den Burgmauern.
Er wollte den Pfeil in seinem Schlüsselbein packen, ihn herausreißen und zurück auf seine Angreifer schleudern. Als er jedoch den roten Schaft in seinem Schlüsselbein umfaßte, brach der entzwei.
Er hielt ihn überrascht in die Höhe, denn er hatte ihn ganz vorsichtig angefaßt. Unter so leichtem Druck hätte er nicht brechen dürfen.
Der Schaft war zerbrochen, wie er jetzt sah, weil man ihn ausgehöhlt und eingekerbt hatte. Er hatte brechen sollen. Raj Ahten ahnte den Grund, noch bevor er spürte, wie das tödliche Gift auf sein Herz zukroch.
Er starrte zur Burgmauer hinüber und sah einhundert Fuß über sich einen Soldaten – einen großen Kerl mit schmalem Gesicht und gelben Zähnen, in einer Jacke aus Schweinsleder.
Der Kerl schleuderte seinen Langbogen in die Luft und stimmte ein Triumphgeheul an, weil er Raj Ahten getötet hatte.
Nachdem der erste Pfeilhagel niedergegangen war, folgte ein Augenblick der Ruhe, in dem der Himmel frei von Geschossen blieb.
Raj Ahten zog seinen Dolch. Die Wunde an seinem Hals schmerzte höllisch. Das Gift strömte so schnell durch seinen Blutkreislauf, daß Raj Ahten nicht wußte, ob seine eintausend Gaben des Durchhaltevermögens ihn retten würden.
Die Haut war über der Wunde bereits verheilt und schloß die Pfeilspitze darunter ein. Mit einem raschen Stoß rammte sich Raj Ahten den Dolch ins Schlüsselbein, schnitt es auf und zog die Pfeilspitze heraus.
Dann schleuderte er den Dolch mit tödlicher Genauigkeit auf den jubelnden Bogenschützen.
Er machte kehrt und fing langsam an zu laufen, bevor weitere Pfeile niedergingen. Er wartete nicht ab, um zu sehen, wie den Bogenschützen auf der Burgmauer der Dolch in die Stirn traf und der Mann unter der Wucht des Treffers nach hinten kippte.
Es genügte ihm, den Todesschrei des Mannes zu hören. Raj Ahten lief einhundert Meter weit über das Gras. Das Gift ermattete ihn, machte es schwer, erst den einen, dann den anderen Fuß zu heben. Sein Atem ging langsam und schwerfällig. Er befürchtete, das Gift könne ihn ersticken.
Der Pfeil war in der Nähe seiner Lungen tief in seine Brust eingedrungen, und das Gift hatte nicht herausbluten können, bevor die Haut über der Wunde verheilt war.
Er kämpfte um jeden Schritt und brach schließlich vor Erschöpfung zusammen. Die Wunde in seiner Schulter schmerzte höllisch, außerdem spürte er, wie das Gift nach seinem Herzen griff und es wie eine kräftige Faust umschloß.
Er streckte die Hand nach seinen Männern aus, flehte um Hilfe, flehte nach einem Heiler. Er hatte Ärzte, die nur für ihn zuständig waren, Kräutersammler und Chirurgen. Doch er lebte so schnell, daß ihm eine Minute fast wie eine ganze Stunde erschien. Er hatte Angst zu verenden, bevor Hilfe kam.
Sein Herz schlug unregelmäßig, pumpte schwer. Raj Ahten rang um jeden Atemzug. Dank seiner Gaben des Gehörs vernahm er jedes Anspannen und Gurgeln seines schwächer werdenden Herzens. Den Kopf an den Erdboden gepreßt, konnte er hören, wie die Würmer durch das Erdreich krochen.
Dann blieb sein Herz stehen. In der plötzlichen Stille schwoll das Geräusch der Würmer in der Erde an, als wäre es der einzige Laut der Welt.
Raj Ahten zwang sein Herz durch Willenskraft weiterzuschlagen.
Schlag, verdammt, schlage…
Er rang nach Atem, keuchte. Er trommelte sich wütend und verzweifelt auf die gepanzerte Brust.
Sein Herz schlug einmal, schwach. Dann begann es zu stottern, krampfartig zu zucken.
Er konzentrierte sich. Fühlte, wie sein Herz einmal schlug, kräftig. Eine Sekunde später schlug es erneut. Er schnappte nach Luft.
Dann stieß er einen stummen Schrei aus, verlangte, daß seine Annektoren ihm in fernen Ländern noch mehr Durchhaltevermögen besorgten, damit er dies ertrug.
»Ein König ist im Land«, hörte er die Worte in seinem Kopf widerhallen. »Ein König, der Euch töten kann.« Nicht
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