Der Kreis aus Stein
Wenn er sie erst hatte, hätte er auch Zeit, andere Dinge in Betracht zu ziehen.
Seine Männer kamen so gut voran, daß er in der Ortschaft Martin Cross eine Stunde Rast machen ließ, damit seine Männer die Häuser und Scheunen nach Lebensmitteln durchstöbern konnten.
Kurz nach Morgengrauen, dreißig Meilen vor Longmot, berichteten seine Vorreiter, ein Truppenkontingent von mehreren hundert Rittern sei vor ihrer Armee auf der Flucht, Männer, die unter einem Dutzend verschiedener Banner ritten.
Unabhängige Ritter von Burg Dreis und den Ländereien dort aus der Gegend.
Raj Ahten war versucht, sie verfolgen zu lassen, wußte aber, daß seine Männer zur Zeit für ein Wettrennen in schlechter Verfassung waren.
Also ließ er sich auf seinem Ritt nach Longmot Zeit, ruhte sich unterwegs aus. Um zehn Uhr morgens bog er um die letzten Hügel und sah Burg Longmot gut zwei Meilen entfernt auf ihrem Felsvorsprung.
Seine Vorreiter erklommen eine Anhöhe, um einen besseren Ausblick zu haben, riefen dann einen Bericht hinunter.
»General Vishtimnu ist noch nicht eingetroffen, mein Lord.«
Raj Ahten war unbesorgt. Mit über sechstausend Soldaten und Riesen konnte er Longmot halten, bis Verstärkung eintraf.
Tatsächlich konnte er Katapulte aufstellen lassen und innerhalb von wenigen Stunden mit der Beschießung der Burg beginnen, während er auf Vishtimnus Ankunft wartete.
Orden hatte sich nicht die Mühe gemacht, in der Burg die Schutzzäune aufzustellen – Holzkonstruktionen, die die Dächer der Burg vor Wurfgeschossen schützten. Dank Raj Ahtens Flammenwebern wären die Schutzzäune nur zum Brennstoff für eine gewaltige Feuersbrunst geworden.
Das Bombardement würde alsbald beginnen. Wenn Raj Ahten einen Tag auf Verstärkung warten mußte, konnten seine Leute mit der Arbeit an den Schutzwällen, Unterständen und den beweglichen Belagerungstürmen beginnen. In der Nähe gab es reichlich steinerne Feldbegrenzungen, die man abtragen konnte, sei es, um die Gräben zu befestigen, oder um sie als Wurfgeschosse zu benutzen. Raj Ahten hatte aber nicht die Absicht, hier am Fuße Longmots eine ganze Stadt zu errichten und die Belagerung nach allen Regeln der Kunst auszusitzen. Je länger er hier lagerte, desto mehr Zeit blieb den Königen von Rofehavan, einen Gegenangriff in die Wege zu leiten. Nein, er richtete sich nicht auf eine lange Belagerung ein. Nicht, wenn er so viele Unbesiegbare hatte, so viele magische und irdische Waffen, die er einsetzen konnte.
Verflucht sei deine Einmischerei, König Orden, dachte Raj Ahten. Morgen bei Morgengrauen werde ich dich aus deinem Bau vertreiben!
Seine Männer kippten also ein paar Karren als behelfsmäßige Schutzvorrichtungen um und begannen mit der Arbeit. Auf jeder zur Burg führenden Straße wurden Wachposten aufgestellt. Dreitausend Bogenschützen und Ritter nahmen im Feld Aufstellung. Weitere fünfhundert Soldaten und Riesen begaben sich unter die Bäume auf den Hügeln im Westen, um hohe Fichten für Sturmleitern und Rammböcke zu fällen.
Raj Ahten holte seinen Spionageballon hervor, band dessen Korb an einen kräftigen Baum und hieß einen Flammenweber, die Luft dafür zu erhitzen.
Dann ließ der Wolflord den Rest seiner Soldaten Essen fassen und sich ein wenig ausruhen. Raj Ahten selbst ruhte sich auf dem Hügel im Schatten einer riesigen alleinstehenden Eiche aus, dreißig Fuß vom Karren mit den Übereignern entfernt. Er saß auf mit purpurner Seide bezogenen Kissen, aß Datteln und Reis und studierte währenddessen die Verteidigungsanlagen von Longmot. Raj Ahten zählte nur etwa viertausend Mann auf den Mauern – eine bunte Mischung aus Edelleuten, jungen Burschen und Banditen. Zauberer Binnesman war nicht darunter. Auch Jureem konnte Raj Ahten nirgendwo entdecken.
»Es ist ein König im Land, ein König, der Euch vernichten kann.« Die Worte gingen Raj Ahten immer wieder durch den Sinn.
König
Orden
glänzte
ganz
in
grünem,
golddurchwirktem Seidenstoff mit seinem goldenen Schild.
Der König eines der mächtigsten Völker der Welt. Das gab ihm zu denken. Für einen solchen König würden die Männer hier auf den Mauern kämpfen wie Berserker. Dies war der Stoff, aus dem Schlachtgesänge gedichtet wurden. Und wenn Raj Ahten sich nicht täuschte, dann war Orden der Erdkönig.
Normalerweise würden Raj Ahtens Unbesiegbare eine solche Burg mit Leichtigkeit einnehmen. Heute aber war er nicht so sicher.
Zwar erzitterte er nicht gerade beim Anblick der
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