Der Kreis aus Stein
einer gefrorenen Wolke.
In dieser flackernden Finsternis sah Tempest flüchtig einige Riesen, die nach ihren Leitern griffen, und Soldaten auf dem Schlachtfeld, die ihre Waffen blank zogen.
»Schützen, bereitmachen!« brüllte Tempest. Er behielt die Straße nach Norden im Blick, hoffte, Orden möge dort erscheinen.
Aber plötzlich hatte er Angst, daß dies nicht geschehen würde, daß Orden noch lebte, und daß der Schlangenring noch nicht zerbrochen war. Vielleicht war der König überhaupt nicht mit Raj Ahten zusammengestoßen und befand sich noch immer auf einer sinnlosen Verfolgungsjagd.
Oder er war außer Gefecht gesetzt.
Tempest klopfte das Herz. Er brauchte jemanden, der ihn beschützte. Es gab nur eins – er mußte die Ritter im Ring auffordern, einen neuen Kopf zu bilden.
Jenseits des Hügels machte Raj Ahten eine ziehende Bewegung mit der Hand, als wollte er die Wolken aus dem Himmel reißen. Hunderte von Mastiffs stürmten in einer schwarzen Woge auf die Burg los, während ihre roten Masken und Eisenkragen den Tieren einen furchteinflößenden Anblick verliehen.
Die Riesen schulterten die gewaltigen Sturmleitern, je zwei von ihnen eine, und trabten in scheinbar gemächlichem Tempo Richtung Burg. In Wirklichkeit jedoch legten sie mit jedem Schritt vier Meter zurück. Schwarze Kampfkolosse in der Nacht.
Tempest hatte keine Zeit, jemandem zu erklären, was zu geschehen hatte. Er verließ seinen Posten über dem Tor, rannte zur Treppe und rief nach Shostag.
»Kommandant?« antwortete einer seiner Männer, als befürchtete er, Tempest könnte sich in diesem Augenblick in eine feige Memme verwandelt haben.
Der hatte keine Zeit für Erklärungen. Gellendes Gebrüll wurde über dem Schlachtfeld laut, als dreitausend Bogenschützen vorstürmten, um die Burgmauern unter Beschuß zu nehmen.
Tempest warf einen Blick über die Schulter, bevor er die steinernen Stufen hinabstieg. Raj Ahtens Unbesiegbare hatten ihre Schilde erhoben und griffen an. Vorneweg liefen fünfzig Mann mit einem Rammbock, an dessen Ende sich ein gigantischer Wolfskopf befand. Tempest wußte wenig über Belagerungsmagie, aber er sah, daß der eiserne Wolfskopf mit mächtigen Zaubern gehärtet worden war. Feuer glühte in seinen todbringenden Augen.
Die
Zugbrücke
war
zwar
unwiederbringlich
heruntergeklappt, doch Tempests Leute hatten rasch einen beweglichen Schutzschild aus Holz – einen Rahmen aus Balken – aufgestellt. Der Rammbock würde krachend in die inneren Verteidigungsanlagen treffen. Unter Longmots Rittern hoch zu Pferd hatte sich hinter diesen Barrikaden Unruhe breitgemacht. Sie hielten ihre langen Lanzen bereit, hatten die Helmvisiere heruntergeklappt. Ihre Pferde, ganz versessen auf den Angriff, trampelten von einem Bein aufs andere.
Raj Ahtens Unbesiegbare stürmten voran, Der Boden erzitterte unter ihren eisenbeschuhten Füßen, erbebte unter dem Hagel, der jetzt heftiger zu werden begann. Die Unbesiegbaren waren Männer mit vielen Gaben des Durchhaltevermögens, der Muskelkraft und des Stoffwechsels.
Riesen mit Leitern kamen leichtfüßig angetrabt, Unbesiegbare folgten mit ihrem Rammbock. Mittlerweile schwebten geheimnisvolle, aus Ballons verstreute Pulver wie eine graue Hand der Verdammnis über dem Burgtor.
Hinter der Brustwehr im Tordurchgang zögerte Tempest einen Augenblick und überlegte, ob er bei seinen Männern durchhalten oder weitereilen sollte, um Shostag zu warnen.
Jenseits der Felder feuerten Raj Ahtens Artillerieschützen die Katapulte ab…
Raj Ahten verfolgte zufrieden, wie die Katapulte Geschosse mit mineralischem Pulver aus Schwefel, Pottasche und Magnesium losschleuderten, die sich mit anderen Salzen in der Wolke über den Burgmauern verbinden würden.
Das Abfeuern dieser Geschosse war zeitlich so bemessen, daß sie genau in dem Augenblick über den Himmel ziehen würden, wenn sich der Rammbock auf einhundert Fuß der Zugbrücke genähert hatte.
Die Bogenschützen sahen das Abfeuern der Katapulte trotz Dunkelheit und Hagel, sprangen in Deckung und verloren so jene wertvolle Sekunde, die sie gebraucht hätten, um sich ein Ziel unter Raj Ahtens Unbesiegbaren auszusuchen.
Der Wolflord hatte seine Flammenweber lange Jahre aufgezogen und ernährt. Auf den Bergen südlich von Aven brannten ständig Feuer, um jene Macht günstig zu stimmen, der die Hexenmeister dienten. Raj Ahten glaubte, daß es die furchterregendsten ihrer Art auf der gesamten Erde waren.
Und diese Flammenweber hatten
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