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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wenn ich ihm seine Selma ab und zu entführe.«
    »Aber besser bezahlen tut er mich auch nicht!«, versetzte die Haushälterin voll gerechten Zorns.
    »Schon gut, Selma. Deine Bereitschaft, uns heute Mittag hier auszuhelfen, wird nicht zu deinem Schaden sein.«
    »Dann beeil dich, Adam, ich will den Trauerzug sehen.«
    Der Rotgesichtige an Rebekkas Seite nickte eifrig. (Vermutlich hatte er doch ein fachliches Interesse an dem Trauerzug.)
    »Also dann, liebes Brautpaar«, hob Adam Arbuthnot in feierlichem Ton an und erging sich sodann mit kräftiger Stimme in einem Monolog über die ehelichen Rechte und Pflichten. Was er sagte, hatte wirklich Hand und Fuß, aber es war nicht zu überhören, wie eingeschliffen jeder Satz, jede einzelne Formulierung war. Der Widerhall seiner Worte musste an den weißen, mit Schmiedewerkzeugen verzierten Wänden des Raumes schon sichtbare Spuren hinterlassen haben (bestimmt sahen sie nur deshalb so rau und wellig aus).
    Endlich kam Arbuthnot zu der entscheidenden Willst-du-Formel, die von den Brautleuten mit einem deutlichen Ja beantwortet werden sollte. Sie taten ihm den Gefallen.
    Das Paar schickte sich gerade an, seine Namen unter die Heiratsurkunde zu setzen, als die Pfarreiangestellte Selma bekümmert aufseufzte.
    Zuerst verstand David überhaupt nicht, was die füllige Frau so betrübt haben konnte, aber da bemerkte er, in welche Richtung sie sah. Seine Augen folgten ihrem Blick zum Fenster hinaus.
    Vor der Schmiede trieben dutzendweise Köpfe vorüber. Wie aus weiter Ferne drang die melancholische Melodie einer Hirtenflöte in den Raum.
    »Das habe ich befürchtet«, knurrte der Schmied. Auch er blickte nach draußen.
    Eher interessiert als betroffen ging David zum Fenster. Es mussten weit über zweihundert Menschen sein, die das schwarze Pferdegespann begleiteten, welches in diesem Moment die Schmiede passierte. Auf dem Kutschbock saßen drei alte Männer in Schwarz. Einer von ihnen sah aus wie ein Aristokrat, die anderen beiden waren möglicherweise seine Diener.
    »Aber der Sarg ist ja leer!«, entfuhr es Rebekka, die sich wie ein verängstigtes Kind an Davids Arm festklammerte.
    Sie hatte Recht. David konnte zunächst gar nichts erwidern, so befremdend war für ihn dieses Bild. Alle Menschen sahen rechtschaffen bekümmert aus, als gelte es tatsächlich, das Hinscheiden eines geliebten Freundes zu betrauern. Aber der schien sein eigenes Begräbnis verschwitzt zu haben. Den schwarz gebeizten Totenschrein füllte nur eine weiße Seidenfüllung, sonst nichts. An der Außenseite war er mit zwei schneeweißen Rosen verziert, die sich über einer Flöte kreuzten. David fiel auf, dass besonders viele Schäfer mit ihren langen Stäben den Wagen begleiteten.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er, nun doch etwas beklommen, den Schmied.
    Der rothaarige Mann stand direkt neben ihm. Die Heiterkeit von vorher war wie weggeblasen. Ohne den Blick vom Fenster zu nehmen, antwortete er: »Vor zwei Monaten ist der Enkel von Lord Jabbok gestorben. Genauer gesagt, er ist von ihm gegangen – im wahrsten Sinne des Wortes. Der Junge war gelähmt und zuletzt sterbenskrank. Soll sich nicht mal von alleine aufrichten haben können. Man sagt, er habe in einem verschlossenen Zimmer im Obergeschoss von Jabbok House, dem Stammsitz der Familie, gelegen und auf den Tod gewartet. Als sein Großvater nach ihm sehen wollte, war er plötzlich verschwunden. Bei uns in der Gegend schätzen alle den alten Lord sehr.«
    David blickte ungläubig in Arbuthnots kantiges Gesicht. »Ein gelähmter Junge, der zu schwach war sich auch nur zu bewegen?« Es war ihm deutlich anzuhören, was er von dieser Geschichte hielt.
    »Es gibt mehrere Zeugen für den Vorfall«, antwortete der Schmied, als müsse er sich für eine persönliche Missetat verantworten. »Nachdem Jonathan Jabbok – so hieß der Enkel des Lords – verschwunden war, beschloss sein Großvater noch drei mal drei Wochen auf ihn zu warten. Heute nimmt er endgültig Abschied von ihm.«
    David sah wieder zum Fenster hinaus. Der Sarg stand schräg auf der offenen Ladefläche des Wagens. Deshalb konnte er immer noch in das leere Behältnis blicken. Ein Schauer lief über seinen Rücken.
    »Ich möchte jetzt gehen.« Rebekkas leise Stimme drang wie durch einen dichten Vorhang zu Davids Bewusstsein vor.
    »Die Trauzeugen müssen die Urkunde noch unterschreiben, sonst ist sie nicht rechtsgültig«, sagte Mr Arbuthnot.
    Die Formalitäten waren schnell erledigt. Alles

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