Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
den Kreis der Dämmerung von innen her sprengen. Konnte es sein, dass Steiner ein Helfer des Zirkels gewesen war? Oder wenn nicht er, dann vielleicht diese Helena Petrowna Blavatsky?
Selbst wenn dies der Fall war, würde es David nicht viel nützen – beide Theosophen lebten nicht mehr. Es war zum Verzweifeln! Wo konnte er nur einen konkreten Anhaltspunkt finden? Bisher war er in seinen zahlreichen Interviews noch keiner Person begegnet, der er auch nur im Entferntesten zugetraut hätte ein wissentlicher Unterstützer des Geheimbundes zu sein. Manipuliert wurden gewiss viele Menschen, aber…
Toyama! Der Name leuchtete wie ein Fanal in Davids Geist. Der Kopf der Amur-Gesellschaft war der Einzige, von dem David ziemlich sicher sein konnte, dass er zum Kreis der Dämmerung gehörte. Inzwischen war es David mithilfe des Herzogs von Atholl gelungen, den Briefwechsel zu Hito wieder aufzunehmen. Aber der japanische Prinzregent konnte ihm entweder nicht weiterhelfen oder er wollte es nicht, weil er Toyamas Macht fürchtete. Auch Ito Yoshiharu hatte David in seine Suche eingespannt, aber dessen Einfluss war längst nicht so weit reichend wie derjenige Hitos. Yoshi hatte nichts gefunden, um Toyama festzunageln. Seit längerer Zeit war sogar der Aufenthaltsort Toyamas unbekannt – vermutlich hatte er bemerkt, dass man ihm nachspionierte. Das war auch schon alles, was David über diesen ominösen Mann wusste.
Und daran würde sich nichts ändern, wenn er weiterhin in New York City hinter einem Schreibtisch hockte und nette Geschichten über prominente Persönlichkeiten zu Papier brachte.
David fasste einen schwer wiegenden Entschluss. Wenn er an die Konsequenzen dachte, dann fühlte er sich jämmerlich. Er würde Rebekka aus einem Haus vertreiben müssen, in dem sie sich gerade heimisch zu fühlen begann. Aber es half nichts. Er konnte nicht so tun, als wüsste er nichts von einem Jahrhundertplan. Nur wenn er an den Ort seiner Kindheit zurückkehrte, konnte er den Schlüssel finden, der ihm Zugang zum Kreis der Dämmerung verschaffen würde.
Schatten der Vergangenheit
»Du willst was?« Rebekkas Gesicht glühte vor Zornesröte.
»Ich habe es dir doch schon zweimal erklärt, Schatz. Ich bin nicht dazu geboren, eine schöne Zeit zu haben und irgendwann wieder von dieser Erde zu verschwinden. Ich habe eine Aufgabe.«
Rebekkas Augen füllten sich mit Tränen. »Meinst du, das weiß ich nicht? Aber ich denke, du bist ein Jahrhundertkind. Du bist erst fünfundzwanzig, David. Und ich gerade erst zwanzig. Kannst du dir mit deiner unseligen Jagd auf diesen Zirkel nicht noch ein paar Jahre Zeit lassen?«
»Lord Belial muss nicht erst bis zum Ende des Jahrhunderts warten, um seinen Plan zu verwirklichen. Er könnte die Menschen genauso gut auch schon früher dazu bekommen, sich selbst zu vernichten. Stell dir nur vor, es würde ein zweiter Weltkrieg ausbrechen. Ich wage gar nicht daran zu denken. Nein, mein Schatz, so sehr mir deine Sicherheit am Herzen liegt, kann ich doch meiner Berufung nicht abschwören. Du weißt, dass ich es einmal versucht habe, aber kläglich gescheitert bin.«
»Du hast mich gerettet. Was ist daran kläglich?«
David nahm Rebekka in die Arme und sie legte ihren Kopf an seine Brust. »So habe ich es nicht gemeint, Bekka.«
»Ich bin noch nicht einmal schwanger«, schluchzte sie.
Sein Blick fiel durch das Fenster auf die Bäume in der Charles Street. Der Malermeister Frühling hatte seine Restbestände von Grün über Greenwich Village ausgeschüttet. Auf der Straße spielten Kinder. Mit einem Mal fühlte er, was seine Frau wirklich bewegte.
»Wir können auch in Japan Kinder bekommen, Schatz.«
»Damit sie dann von diesem Negromanus abgeschlachtet werden?«
»Bekka, du weißt, dass das so nicht stimmt. Wenn uns eine Gefahr von Lord Belials rechter Hand droht, dann hier ebenso wie an jedem anderen Ort der Welt. Außerdem ist Japan nicht das Schlechteste, um kleine Schreihälse aufzuziehen. Die genießen dort Narrenfreiheit. Schau mich an! Findest du mich irgendwie missglückt?«
Rebekka löste sich ein Stück von ihm, um sein Gesicht einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen und lächelte. »Nein, für mich bist du der schönste Mann der Welt. Ich möchte keinen anderen und so weit es von mir abhängt, werde ich dich begleiten, wohin du auch gehst.« Mit den Fingern durch seine kurz geschnittenen Haare fahrend, fügte
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