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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Leibwächter aufhalten. Aber im Augenblick achteten alle nur auf den Mikado.
    Yoshi sagte etwas zu dem vermeintlichen Marineoffizier, dann endlich verbeugte er sich ein letztes Mal und verließ eilig die Tribüne. David schlich sich näher. Immer noch unbehelligt. Auf dem Rücken unter seiner Jacke trug er sein wakizashi. Wenn er jetzt von einem übereifrigen Leibwächter aufgegriffen würde, dann konnte man ihn leicht für einen Attentäter halten und… Besser, er dachte später darüber nach. Jetzt war der Augenblick gekommen, sich hundertprozentig auf den vermeintlichen Toyama zu konzentrieren. Gleich würde sich herausstellen, ob er zum Kreis der Dämmerung gehörte.
    Der Riese verzog keine Miene. Geschickt öffnete seine behandschuhte Rechte das zusammengefaltete Kärtchen und hob es vor das breite Gesicht. David bemerkte, wie ein Ruck durch den Körper des Mannes ging, als sei er gerade irgendwo eingerastet. Jetzt mussten die ausdruckslosen Mandelaugen die Schriftzeichen gelesen haben.
     
    Teruzo!
    Dein Verrat ist unverzeihlich.
    Wir verfluchen dich.
    Beachte das Schuldmal an deiner Hand:
    Deine Rechte soll dir augenblicklich am Arm verfaulen.
    Erwarte Unser Urteil aus Negromanus’ Hand.
     
    David murmelte: »Wenn du der Verräter meines Vaters, wenn du ein Mitglied des Kreises der Dämmerung, wenn du Teruzo Toyama bist, dann soll deine rechte Hand jetzt blau werden.«
    Der große Japaner ließ mit einem Mal das Kärtchen fallen und blickte entsetzt auf sein Handgelenk. Der schmale Streifen Haut zwischen dem Ärmel der Uniformjacke und dem weißen Handschuh hatte sich tiefblau verfärbt, als stürbe ihm gerade der Arm ab.
    »Wenn du derjenige bist, für den ich dich halte«, sagte David, während das jubelnde Publikum sich ringsum allmählich zu beruhigen begann, »dann wird deine Rechte augenblicklich wie die des Negromanus werden: schwarz wie das Grab.«
    Toyama riss sich schreckensbleich den Handschuh herunter. Alles, was er dabei entblößte, war modrig schwarze Haut. Bis auf eine Ausnahme: An einem Finger glitzerte ein schwerer, goldener Siegelring.
    David stand nun zu ebener Erde neben der Tribüne, genau auf Höhe von Toyamas Sitzreihe. Zwischen ihm und seinem Widersacher befand sich nur der Aufgang. Er konnte deutlich das Emblem auf der Siegelfläche erkennen: eine durchbrochene Scheibe, um die sich zwölf kleinere Halbkreise gruppierten. Bis auf den Rubin war das Schmuckstück völlig mit jenem identisch, das David um den Hals trug. Bis hierhin hatte der Plan funktioniert. Anders als damals in Soho sollte sich die Hand des anderen hier nur verfärben, wenn er der Gesuchte war. Der Siegelring hatte den Beweis erbracht. Davids Gabe war unbestechlich. Sie hatte Toyama entlarvt.
    »Ich bin hier, falls du mich suchst«, übertönte David das langsam ersterbende Gemurmel der Menge.
    Toyamas Kopf ruckte herum. Er sprang von seinem Sitz auf. Seine eben noch schreckensweiten Augen verengten sich gefährlich, als er Davids Gesicht über der Treppe entdeckte. »Wer bist du?«, zischte er.
    »Exterminans – der Vernichter. Ich bin gekommen deinen Umtrieben ein Ende zu bereiten.« David packte das Geländer mit der Rechten, um sich auf die Tribüne zu schwingen.
    Toyama reagierte sofort. Er schnellte auf den Gang hinaus und trat mit seinem schwarzen Stiefel gegen den Handlauf.
    David hatte zwar den Angriff vorausgesehen und seine Finger rechtzeitig in Sicherheit gebracht, konnte aber nicht mehr verhindern, dass die hölzerne Balustrade wie ein Streichholz entzweibrach. Haltlos taumelte er zurück.
    »Bleib stehen!«, schrie er Toyama nach, der den Tribünengang hinaufstürmte.
    Mittlerweile waren auch die ersten Zuschauer auf den Unruheherd aufmerksam geworden. Wieder entstand Gemurmel, jetzt aber mit einem empörten Unterton. Wer wagte es da, die Inthronisierung des göttlichen Mikado zu stören?
    David zog sich durch das zersplitterte Geländer auf die Tribüne und setzte Toyama nach. Der hatte bereits einen Vorsprung von mindestens zehn Yards. Als er neben der obersten Sitzreihe angelangt war, drehte er sich zu seinem Verfolger um und bohrte den pechschwarzen Zeigefinger in die Luft, als wolle er damit auf ihn schießen.
    »Du wirst mich nie bekommen, Exterminans.« Toyamas Worte trieften vor Verachtung. Neben ihm sprang ein älterer Japaner von beachtlicher Leibesfülle schimpfend auf.
    Bestürzt sah David voraus, was im nächsten Augenblick geschehen würde. Toyama stieß den ihm hoffnungslos unterlegenen

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